: Alljährlicher Generalstreik in Ecuador
■ Zum Jahrestag der Amtsenthebung des verrückten Präsidenten Bucaram vor zwei Jahren protestieren Arme und Reiche gleichermaßen
Quito (taz) – Mit Generalstreiks und Demonstrationen im ganzen Land wurde heute vor zwei Jahren der vorletzte Präsident Ecuadors abgesetzt – und heute, am Jahrestag, findet wieder ein Generalstreik statt. Anlaß liefern die drastischen Subventionsstreichungen und die neu eingeführte Ein-Prozent-Steuer für Bankgeschäfte.
Ecuador hat zur Zeit mit über 40 Prozent die höchste Inflationsrate Lateinamerikas. Die Regierung unter dem christdemokratischen Präsidenten Jamil Mahuad hat deshalb viele Subventionen, unter anderem für Gas, Elektrizität und Transport, gestrichen. Angesichts der leeren Staatskasse hat die Regierung dazu kaum eine Alternative – das Land ist praktisch pleite. Die bedeutendsten Exportgüter Ecuadors sind Erdöl, Bananen und Garnelen. 1995 gingen 43 Prozent der Exporte in die USA. Seit dem Verfall der Erdölpreise fehlt dem Land diese Einnahmequelle.
Die neuen Maßnahmen treffen vor allem die Armen. Zwischen 1981 und 1995 lebten durchschnittlich 30,4 Prozent der Ecuadorianer unter der Armutsgrenze. Als „arm“ gelten insgesamt 65 Prozent der Bevölkerung.
Ein Grund für die Finanzmisere des Landes ist das Fehlen jeglicher Steuermoral. Es ist in Ecuador ein offenes Geheimnis, daß die großen Firmen und die Vermögenden praktisch keine Steuern zahlen. Jeder versucht zu tricksen, so gut es geht. Wer Geld hat und weiß, wie es geht, schafft sein Kapital ins Ausland.
Seit dem 1.Januar wird auf alle Bankgeschäfte eine einprozentige Steuer erhoben, damit diejenigen, die über Geld verfügen, zumindest einen bescheidenen Teil davon als Steuern zahlen. Das hat dazu geführt, daß zunehmend mehr Löhne in bar und nicht mehr per Scheck ausgezahlt werden. Der erhoffte Einnahmeeffekt für den Staat blieb bisher aus.
Die Menschen, die am Existenzminimum leben, protestieren aus Not. Die Reichen aus Prinzip. Daß die Regierung jetzt auch noch über eine Steuer für Luxusautos und Firmengrundstücke nachdenkt, empört den Geldadel vollends.
Daß der Generalstreik am 5.Februar stattfindet, ist kein Zufall. Am 6.Februar 1997 wurde der damalige Präsident Abdalá Bucaram nach tagelangen heftigen Protesten in der Bevölkerung gestürzt und schließlich für unzurechnungsfähig erklärt. Seither äußert sich in Ecuador am 5.Februar der allgemeine Unmut der Bevölkerung in einem Generalstreik. Verärgert ist man diesmal darüber, daß die versprochenen Verbesserungen der seit August im Amt befindlichen neuen Regierung noch nicht eingetroffen sind.
Bereits in den letzten beiden Wochen gab es vereinzelt Unruhen in der Hauptstadt im Umfeld der staatlichen Universität und in einigen ärmeren Stadtvierteln. Normalerweise schließen sich die älteren Schüler der staatlichen Schulen den Streikenden an. Um den Schülern ihre Treffpunkte zu nehmen, hat das Erziehungsministerium letzte Woche die staatlichen Schulen vorsorglich für drei Tage geschlossen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen