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Der Kommentar

Allianz gegen Habeck Die Wahlhelfer der AfD

Union, FDP, SPD und Letzter Generation muss klar sein, dass sie mit weiteren Inszenierungen der Ablehnung Vizekanzler Habeck und die Klimapolitik dem Mob ausliefern. Stop!

Bundesminister für Wirtschaft und Klimaschutz Robert Habeck wird für seine Klimapolitik von allen Seiten angefeindet Foto: picture alliance/dpa

Von UDO KNAPP

taz FUTURZWEI, 30.05.2023 | Robert Habeck hat einen strategischen Plan für die Energie- und Wärmewende. In nur einem Jahr hat der Bundesminister für Wirtschaft und Klima die Energiesicherheit der Bundesrepublik ohne russisches Gas mit LNG und längeren Laufzeiten für einige Kohlekraftwerke sichergestellt und zugleich den Atomausstieg endgültig vollzogen. Jetzt legt er drei Gesetze vor, mit denen die Dekarbonisierung in geordneten Zeitabschnitten bis 2045 umgesetzt werden kann.

1 Mit dem Gebäudeenergiegesetz, auch Heizungsgesetz genannt, soll in 20 Jahren die Wärmewende vollzogen werden, klimaschädliche Gas- und Ölheizungen verschwinden. Sie sollen durch elektrisch betriebene Wärmepumpen oder Fernwärme ersetzt werden.

2 Mit dem Energieeffizienzgesetz soll die Industrie ihren Energieeinsatz optimieren, sich schrittweise vom Verbrauch fossiler Brennstoffe lösen. Unternehmen werden dazu gezwungen, ihren Energieverbrauch und ihre Energieplanung ohne Fossile – öffentlich nachvollziehbar – zu dokumentieren. Im Gegenzug erhalten sie Planungssicherheit für ihre Investitionen. Zugleich wird mit Habecks Wasserstoffstrategie und dem Ausbau der deutschlandweiten Netze Wasserstoff für alle Industrien zur Verfügung gestellt, die ihn brauchen. Für einen verträglichen Übergang will der Minister den Strompreis für die energieabhängigen Industrien deckeln.

3 Mit dem Gesetz zur kommunalen Wärmeplanung sollen Länder und Kommunen zu einer faktenbasierten Wärmeplanung bis 2026 verpflichtet werden. Alle öffentlichen Gebäude sollen Energie liefern. Die Kommunen sollen in eigener Zuständigkeit Fernwärme für alle Bürger anbieten, unabhängig von den Eigentumsverhältnissen an den Immobilien. Mit der im Konsens mit allen Beteiligten verabschiedeten Wind-an-Land-Strategie soll der Ausbau der Windenergie beschleunigt und dafür gesorgt werden, dass ausreichend grüner Strom zur Verfügung steht, wenn er gebraucht wird.

Blaupause für ökologische Transformation von Wirtschaft und Gesellschaft in der ganzen EU

Mit seinen Energiewende-Gesetzen will Habeck für Wirtschaft und Gesellschaft den Rahmen für alle notwendigen Planungen und Projekte schaffen, mit dem die Bundesrepublik ohne fossile Brennstoffe ihre wirtschaftliche Stellung auf den Weltmärkten neu begründen kann. Er will eine Blaupause für die ökologische Transformation von Wirtschaft und Gesellschaft in der ganzen EU liefern.

Die Mehrheit der deutschen Wirtschaft hat sich schon auf diesen Weg begeben, nicht aus ökologischer Überzeugung, sondern aus ökonomischem Interesse. Der Weltkonzern Siemens Energie ist dafür ein beeindruckendes Beispiel. Ökologischer Kapitalismus ist möglich, seine Konturen und Strukturen sind bereits erkennbar.

Die Frage dieser Tage ist nun, warum Vizekanzler Habeck und sein strategischer Plan trotzdem in der politischen Öffentlichkeit von den anderen staatstragenden Parteien, den Klimawende-Aktivisten und einer Mehrheit der Bürger im Land abgelehnt wird; warum er persönlich beschimpft, beleidigt und von fast allen Medien runtergeschrieben wird.

Klimawandel ist Tatsache. Alle oder zumindest die meisten haben rational verinnerlicht, dass es so nicht mehr weitergehen kann. Aber eine Bereitschaft, sich persönlich und gesellschaftlich dem notwendigen Wandel zu stellen, auch wenn das mit Zumutungen verbunden sein wird, gibt es noch nicht oder zumindest derzeit dafür keine politische Mehrheit bei den Bürgern. Daher verwundern die politischen Verhaltensmuster der Klimaaktivisten und der politischen Mainstream-Parteien nicht.

Die Klimaaktivisten kehren zum außerparlamentarischen Kampf zurück. Sie glauben, sie könnten die Gesellschaft dazu zwingen, ihr Weiter-So aufzugeben. Sie erreichen das Gegenteil. Sie bestätigen die Vorbehalte der Mehrheiten gegen das aus ihrer Sicht moralisch bevormundende Klimagerede. Sie heben Angst, Wut und Hass auf die politische Bühne. Sie machen sich zu Außenseitern. Sie blockieren den Aufbruch, den sie erzwingen möchten.

Alles muss sich ändern, aber alles muss bleiben wie es immer war

CDU/CSU, FDP und auch SPD kommt das gelegen. Obwohl diese Parteien begriffen haben, dass auch sie den Klimawandel politisch adressieren müssen, folgen sie allein der Logik des vermeintlich maximal „Zumutbaren“. Sie sind Apologeten des Status quo: Alles muss sich ändern, aber alles muss so bleiben, wie es immer war, in der Bundesrepublik. Aus dem Klimawandel leiten sie keinen politischen Großauftrag ab. Sie bestätigen damit das Empfinden vieler und sichern sich auf diesem Weg politische Zustimmung für Nichtstun. In diese Politik fügt sich ihre Behauptung ein, dass eine aktive Klimapolitik allein in der Bundesrepublik an der globalen Erderwärmung und ihren Folgen sowieso nichts ändern würde. Unsicherheit, Angst, Wut und Hass gegenüber ökologischer Anpassungspolitik werden dadurch nicht reduziert, sondern verstärkt.

Die Grünen haben sich mit ihrem Aufstieg zu einer halben Volkspartei zwar einen Auftrag für eine ökologische Transformation erarbeitet, aber Mehrheiten dafür bisher bei ihren Koalitionspartnern nicht gewonnen. So bleibt ihnen nichts anderes übrig, als beim Mitregieren durch wirtschafts- und klimapolitische Erfolge die Zweifel, Angst oder gar Wut auf alles Grüne abzubauen und in Zustimmung zu übersetzen.

Das ist Robert Habecks Linie. Der Minister wird nächste Woche beim Heizungsgesetz Kompromisse eingehen, Härtefallregelungen, längere Übergangsfristen und auch sinnlose Subventionen in seine Vorlage aufnehmen, um die Zustimmung von Koalitionspartnern und Gesellschaft zu erhalten. Es ist zu hoffen, dass damit die Substanz des Einstieges in die Große Transformation nicht beschädigt wird.

Aber auch ein anderes Szenario ist möglich. Der in der Öffentlichkeit und von FDP, Union und auch SPD bisher unwidersprochen gebliebene Hass auf den Vizekanzler und die Grünen stärkt die Demokratiefeinde, Corona-Leugner, Russenfreunde, Reichsbürger, Klimaleugner, treibt der AfD Wähler zu und kann zum Absenken aller Schwellen gegenüber physischer Gewalt führen. „Der Mensch ist immer dazu fähig, wenn seine Erwartungen nicht erfüllt werden, das Skalpell durch das Fleisch seines Gegenübers zu ziehen“, hat Dinçer Güçyeter gesagt, aktueller Belletristik-Preisträger der Leipziger Buchmesse.

Union, FDP, SPD, aber auch den Klimaaktivisten der Letzten Generation muss klar sein, dass sie mit ihren Inszenierungen der Ablehnung des von Habecks Ministerium vorgelegten Ordnungsrahmens oder ihrem Schweigen den Vizekanzler, die Grünen und auch den ökologischen Umbau dem politischen Mob ausliefern. Wenn Robert Habeck ins Scheitern getrieben wird, dann wird es, zumindest Stand heute, eine konsistente Klimapolitik nicht mehr geben.

UDO KNAPP ist Politologe und kommentiert an dieser Stelle regelmäßig das politische Geschehen für taz FUTURZWEI.