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„Allet uffjerissen, wat is denn los?“

■ Regine Hildebrandt, einstige Arbeits- und Sozialministerin in Brandenburg (Ost), erklärt in Bremen Politik und stellt Arbeitssenatorin Hilde Adolf (West) zur Rede – ein Ereignis

„Det find' ick toll.“ Kaum eine kann Politik besser verkaufen als Regine Hildebrandt. Die Ex-Arbeits- und Sozialministerin von Brandenburg war gestern in Bremen und erklärte einem voll besetzten Saal im Konsul-Hackfeld-Haus, wie wirkungsvoll die neue Arbeitsförderungspolitik der rot-grünen Bundesregierung werde. Passend dazu hatte am selben Tag die Deputation für Arbeit die bremischen Eckpunkte der neuen Arbeitsförderungspolitik im Land beschlossen, die in den Grundzügen mit den Berliner Ideen übereinstimmen – Stichwort: „fördern statt fordern“.

Die geplante Berliner Reform in Hildebrandts Worten: Bisher mussten Arbeitslose ein Jahr arbeitslos sein, bevor sie in Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen kamen – „det is ja entzückend“. Und hört nun auf. Stattdessen – „jetzt kommen wieder diese hübschen Begriffe“ – gibt es jetzt „Profiling“: Die Qualifikationen des Betroffenen werden herausgearbeitet. „Und wenn wa dann merken, den werden wa so schnell nich wieder los, denn kommt – Ähsässmännt.“ Assessment, schlicht die Klärung der Frage: „Wat kanner denn nu?“ Nächster Punkt: Ständige Weiterbildung ist angesagt, auch innerbetrieblich vom Arbeitsamt finanziert – „find' ick prima.“ Öffentliches Geld soll künftig sehr viel freier, der Struktur einer Region angemessener und damit effektiver in Maßnahmen fließen als bisher. In Hildebrandts Worten: „Immer det blöde Beispiel: Mit ABM hammse die Friedhofsmauer schon zum dritten Mal verschmiert, aber an den Kindergarten, wo der Putz von der Decke fällt, dürfense nich ran.“ Soll anders werden.

Außerdem will die Bundesregierung Frauen mehr und besser fördern. Hildebrandt erzählt, dass zuhause in Brandenburg erstmals mehr Männer als Frauen arbeitslos seien – „na, da war ick ja stolz!“ War's bisher doch immer andersrum und habe Ex-Bundesarbeitsminister Norbert Blüm ihr einst selbst gesagt: „'Mädchen, wenn Frauen erstmals zu Hause sind, dann wird das nichts mit Umschulung.' Da hatta sich aba jeschnitten! Det sind ältere Frauen – also mein Kaliber – die machen ooch noch die dritte Umschulung.“

Von ihrer Heimat erzählt Regine Hildebrandt viel. Von den 18 bis 20 Prozent Arbeitslosigkeit dort. Von den 30 bis 50 BewerberInnen auf eine Stelle. Weshalb sie des Kanzlers Absage an das Recht auf Faulheit „ooch nich wirklich tangiert hat: Ick wusste, der meint uns nich.“

Regine Hildebrandt stellt auch Senatorinnen zur Rede. Habe sie doch neulich in Berlin-Lichtenberg eine Blinde wegen der Streichung des Landespflegegelds in Bremen angesprochen. Frage an Sozialsenatorin Hilde Adolf (SPD): „Nu erzähl' ma, is det wirklich so?“ Adolf: „In der Tat, wir wollen das Landespflegegeld kürzen.“ „Wer kricht det Pflejejeld denn?“ Adolf referiert, Hildebrandt scheint d'accord. Ach ja, und noch etwas. Besagte blinde Frau aus Lichtenberg habe sich beschwert: In Bremen habe man vor der Demo gegen die Streichung des Landespflegegelds am vergangenen Samstag extra die Straßen aufgerissen, damit die Protestanten nicht zum Ziel kämen. „Allet uffjerissen, Straßenbahnschienen abjerissen, wat is denn los?“ Adolf beruhigt: Es werde gebaut, aber nicht um Protestierende zu ärgern. „Na, denn bin ick beruhigt.“ sgi

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