Alles, was ein Neonazis begehrte, vertrieb er. Gary Rex Lauck schickte verbotene Bücher und Flugblätter; Hakenkreuze und SS-Embleme konnte man bei ihm in den USA per Luftbrief bestellen. Lauck gründete auch die verbotene NSDAP/AO. Ab morgen

Alles, was ein Neonazis begehrte, vertrieb er. Gary Rex Lauck schickte verbotene Bücher und Flugblätter; Hakenkreuze

und SS-Embleme konnte man bei ihm in den USA per Luftbrief bestellen. Lauck gründete auch die verbotene NSDAP/AO.

Ab morgen wird ihm in Hamburg der Prozeß gemacht. V-Männer aus der Neonazi-Szene lieferten der Anklage die Beweise.

Von Neonazi-Freunden überführt

Schon optisch versucht Gary Rex Lauck sein Vorbild zu kopieren. Mit streng gescheiteltem Haupthaar, das Hitlerbärtchen in der Untersuchungshaft akkurat gepflegt, wird der 43jährige Amerikaner am morgigen Donnerstag vor dem Hamburger Landgericht zuhören, wenn gegen ihn die Anklageschrift verlesen wird. Lauck, offizieller Gründer und Führer der in den USA operierenden neofaschistischen NSDAP/AO (Aufbauorganisation) und Herausgeber des NS Kampfruf, war mit internationalem Haftbefehl gesucht worden. Abgehörte Telefongespräche zwischen ihm und deutschen Neonazis brachten die Fahnder schließlich auf seine Spur. Am 20. März vergangenen Jahres verhaftete ihn die dänische Polizei in Kopenhagen, im September wurde er nach Deutschland ausgeliefert.

Jetzt wirft ihm die Staatsanwaltschaft, die schon seit zehn Jahren gegen ihn ermittelt, vor, neonazistisches Propagandamaterial verbreitet und die Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen verwendet zu haben. Dazu kommen die Anklagepunkte Volksverhetzung und Aufruf zur Gewalt. Auf mindestens 18 Tage ist der Prozeß angesetzt. Wird der Amerikaner in allen vier Punkten schuldig gesprochen, muß er mit einer Höchststrafe von fünf Jahren Gefängnis rechnen.

Seit Anfang der siebziger Jahre hat der 1953 in Lincoln, Nebraska, geborene Lauck zahlreiche Neonazi-Gruppen in der ganzen Welt mit dem von ihm gegründeten NS Kampfruf beliefert. In der braunen Hetzschrift, die in zehn Sprachen herausgegeben wird und die seit jüngstem nur noch in digitalisierter Form erscheint, wird unverblümt zu militanten Anschlägen aufgerufen, bis hin zur Ermordung von Politikern. Das Konzept: „Die erste Phase ist das Sammeln von Informationen, die zweite die der Propaganda und die dritte die der Liquidation der Gegner.“

1974 gründete Lauck in enger Zusammenarbeit mit deutschen Neonazis die NSDAP/AO in den USA, die als legale Partei für die in Europa entstandenen NSDAP- Nachfolgegruppen internationale Kontakte organisiert und sie mit Propaganda versorgt.

Zu den von Lauck versandten Schriften zählt neben der ultrarechten Postille The New Order beispielsweise eine sogenannte „SS Rassenkunde und Richtlinien zur Gattenwahl“, in der Juden und Jüdinnen als „Parasiten der Menschheit“ bezeichnet werden. Daneben soll Lauck auch Videokopien des Nazipropagandafilms „Der ewige Jude“ hergestellt und nach Deutschland verschickt haben. Doch weil sich Lauck nach US-Recht mit seinen Aktivitäten nicht strafbar machte, waren auch die deutschen Strafverfolgungsbehörden lange Zeit machtlos.

Während die Polizei umfangreiche Sicherheitsvorkehrungen zum Prozeßbeginn plant, Sperrgitter und Wasserwerfer bereithält und strengste Einlaßkontrollen im Strafjustizgebäude angekündigt hat, mobilisieren Neonazi-Führer bundesweit ihre Gefolgschaft, den Prozeß zu besuchen. Glaubt man einem Aufruf, der aus der Feder des ebenfalls inhaftierten Hamburger Neonazis Christian Worch stammen soll, dann geht es auch darum, „den Antifas die Schranken aufzuzeigen“. Denn zum Prozeßbeginn haben sich zahlreiche antifaschistische Gruppen angesagt. Sie wollen sich eine Stunde vor Prozeßbeginn in der Nähe des Gerichts zu einer Demonstration treffen, um anschließend eine „antifaschistische Gegenöffentlichkeit im Prozeßsaal herzustellen“.

Die autonomen Antifa-Gruppen befürchten eine „an der Einzeltäterthese ausgerichtete Prozeßführung“ mit anschließender „medienträchtiger Verurteilung“, die von den wahren Drahtziehern im braunen Netzwerk ablenke. Denn „so wichtig, wie ihn die Staatsanwaltschaft sieht“, sei Gary Lauck nicht, heißt es in einem in Hamburg verbreiteten Antifa- Flugblatt. Lauck, der in der rechtsradikalen Szene der USA keine Rolle spielt, gilt zwar als wichtige Schaltstelle für Koordination und Propaganda innerhalb der NS- Struktur, nicht aber als deren ideologischer Kopf.

Der Vertrieb des NS Kampfruf, der in einer seiner jüngsten Ausgaben zur Ermordung von Generalbundesanwalt Kay Nehm aufruft, war schon lange vor der Verhaftung Laucks dezentral organisiert, die Strukturen der illegal operierenden deutschen NSDAP/AO blieben bislang nahezu unangetastet.

Das einst von dem mittlerweile verstorbenen Neonazi Michael Kühnen im NS Kampfruf dargelegte „strategische Konzept der NSDAP/AO in der BRD“ dürfte aber – den umfangreichen Verboten rechtsradikaler Parteien in den vergangenen Jahren zum Trotz – weiterhin Gültigkeit besitzen. Mit der „Gründung einer bundesweiten legalen Neonazi-Partei, die offen die Politik der NSDAP vertritt“, schrieb Kühnen seinerzeit, „soll es dann dem 4. Reich entgegengehen“. Marco Carini/Andreas Speit