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Allerlei Ver(w)irrungen

■ Der schwarze Zydeco-Musiker Rocking Sydney und Band spielte am Samstag abend im Stubu und verwirrte mit schieren Entertainment den verirrten Rezensenten

Einst galt Bremens „Stubu“ als angesagter Treff: für Live -Konzerte, ein (oder auch mehrere) Bier im Garten oder fürs Tanzvergnügen nach Mitternacht. Lang ist's her, und so hätte es mich auch beinahe in die Ostendorpstraße verschlagen, wäre ich nicht zufällig - aber immerhin noch rechtzeitig! darauf gekommen, daß dieser Musikclub sich inzwischen in seriöseren Gefilden befindet (für Unwissende: in Bremens Touristenmeile, nahe Rathaus und Böttcherstraße).

Aufgemacht hatte ich mich, um mir Cajun-bzw. Zydecomusik eines gewissen Rocking Sidney anzuhören, des ersten, der mit dieser Richtung einen internationalen Hit gelandet hatte - und das bereits 1957! Aber die geographischen Verwirrungen sollten nicht die einzigen an diesem Abend bleiben: An der Kasse wurde mir

zunächst der freie Eintritt mit der Begründung verwehrt, ich hätte es vesäumt mich vorher telefonisch anzumelden - ganz so, wie man es bei den großen Konzertveranstaltern zu machen pflegt. Vielleicht hätte mir jetzt ein Licht aufgehen sollen, aber meine Naivität und ein paar gute Worte obsiegten: Nach einem kurzen Palaver durfte ich dann doch passieren und erreichte pünktlich zum angekündigten Konzertbeginn um 21 Uhr die geheiligten Hallen des „Musentempels“ (so der frühere Name dieses Etablissements).

Drinnen angekommen, blieben mir zu meinem Erstaunen geschlagene 60 Minuten Zeit, meine Blicke über das im alten Domizil liebevoll ab - und hier wieder aufgehängte Inventar schweifen zu lassen und mich etwas unter den noch spärlich versammelten Gästen umzusehen. Ein Gefühl

der Fremdheit beschlich mich: War ich es vielleicht, der hier fehl am Platze war, weil ich der einzige war, der etwas anderes erwartete als schlicht und einfach Entertainment?

Sollte es den hier Versammelten um etwas ganz anderes gehen als um das „Stargastspiel“ eines schwarzen Zydeco-Musikers? Nahm vielleicht nur ich etwas ernst, was im Grunde ganz andere Motive hatte?

Diese stillen Reflexionen wurden schließlich doch noch dadurch unterbrochen, daß sich die Helden des Abends irgendwann auf die Bühne begaben, um ihrem Beruf nachzugehen und „dem Volk“ zu geben was es erwartete: gute Stimmung und vor allem Rock'n‘ Roll! Daß dabei von Cajun oder Zydeco nur sehr wenig zu hören war, dafür eher billige Remakes aus der Klamottenkiste von Rock und Soul („Tutti frutti“ oder „When a man loves a woman“), war wohl dem fortgeschrittenen Alter des Bandleaders zuzuschreiben. Und es konnte mich nach all den vorhergegangenen Ver(w)irrungen auch gar nicht mehr so sehr aus der Fassung bringen, zumal dem inzwischen etwas zahlreicheren Publikum deutlich anzumerken war, wie sehr es sich am Wiedererkennungswert der Stücke zu erfreuen vermochte. So konnte ich denn auch bereits zur Pause beruhigt und zufrieden den Heimweg antreten, mit der sicheren Gewißheit im Kopf, daß ich mich in Zukunft wohl nicht mehr so schnell verirre.

JüS

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