Alle wollen Twitter: Gerüchte über Kauf durch Google
Laut US-Blogs ist der große Online-Konzern Google stark an den Kurznachrichtendienst Twitter interessiert. Unlogisch wäre das nicht, fehlt ihm doch bislang eine Echtzeitsuchmaschine.
Am 1. April leistete sich der Mediendienst "turi2" einen hübschen Scherz: In einer Sondermeldung berichtete er, der Großverlag Axel Springer habe den derzeit voll im Web 2.0-Saft stehenden Kommunikationsdienst Twitter übernommen, um voll ins mobile Internet einzusteigen. Preis: 1,5 Milliarden Dollar. Bestätigung: Natürlich gleich per (gefälschtem) Tweet von Firmenboss Mathias Döpfner. So unwahrscheinlich diese Nachricht ist, so viel glaubwürdiger ist die Meldung, die am Donnerstag das viel gelesene Silicon-Valley-Weblog "Techcrunch" verbreitete: Twitter befinde sich mit dem Online-Riesen Google in der letzten Phase von Übernahmeverhandlungen. Dies hätten zwei Personen, die den Gesprächen nahe stünden, bestätigt. Preise seien allerdings nicht bekannt. Twitter ist derzeit sehr begehrt, besonders in den USA ist bei den Nutzern und den Medien ein wahrer Hype um das Angebot, bei dem man der Welt in 140 Zeichen seine Stimmungslage mitteilen kann, ausgebrochen. Verkaufsverhandlungen mit Facebook waren vor wenigen Monaten gescheitert, weil von dem kolportierten Preis von 500 Millionen Dollar ein Hauptteil in Aktien geflossen wäre - dabei ist Facebook noch nicht an der Börse und der externe Unternehmenswert fluktuiert stark, reduzierte sich im letzten Jahr deutlich. Google hätte dagegen handelbare Aktien beziehungsweise einen großen Batzen Cash anzubieten, hortet der Online-Riese doch seit einiger Zeit schon Milliarden für mögliche Übernahmen. Doch wie würden Google und Twitter zusammenpassen? Die Antwort ist einfach: Bei der so genannten Echtzeitsuche. Zwar hat die große Suchmaschine in den letzten Jahren enorme Fortschritte dabei gemacht, den aktuellen Stand im Web abzubilden, also auch erst vor kurzem aktualisierte Seiten sofort in ihren Index aufzunehmen. Kommunikation, wie sie bei Twitter im Sekundentakt abläuft, wird dabei aber nicht erfasst, der Dienst verfügt über seine eigene Suchmaschine unter search.twitter.com. Die weist wiederum steigende Nutzerzahlen auf, weil sich Twitter-Nutzer und die Außenwelt inzwischen stark dafür interessieren, was die Menschheit genau in diesem Moment denkt oder fühlt, welche Produkte sie interessiert und ob etwas aktuelles passiert ist. All dies wird bei Twitter inzwischen abgebildet und über eine Suchmaschine zugänglich gemacht, Google könnte diese potenziell übernehmen. Der Onlineriese selbst gab sich gegenüber Twitter bislang allerdings eher scheu. Noch im März hatte Firmenboss Eric Schmidt in der Talkshow "Charlie Rose" gesagt, es sei "unwahrscheinlich", dass man den Kommunikationsdienst übernehme: "Wir werden kurzfristig wohl nichts kaufen, weil die Preise noch zu hoch sind." Google habe viel Bargeld und halte es in "extrem sicheren Banken" vor. Zuvor hatte Schmidt auf einer Investorenkonferenz über Twitter als "E-Mail für Arme" gelästert. Es sei unklar, ob Elektronische Post-Systeme, wie sie Google bereits anbiete, sich in Richtung des Kommunikationsdienstes erweiterten oder dieser tatsächlich ein neues Phänomen sei. Dennoch sei Twitters Erfolg "wunderbar". Pikant an den Verhandlungen zwischen Google und Twitter wäre, das Evan Williams, Gründer und Chef des Kommunikationsdienstes, bereits einmal eine Firma an den Internet-Konzern verkauft hat: Blogger.com, den immer noch sehr beliebten Blog-Anbieter. Williams blieb danach einige Zeit bei Google, bis er sich - gerüchteweise eher frustriert - wieder selbständig machte, um schließlich eine neue Firma zu gründen, die dann in Twitter mündete. Kommentare zu der "Techcrunch"-Meldung gab es zunächst nicht, weder von Google als von Twitter. Allerdings legte der Gründer des Weblogs, Michael Arrington, inzwischen ein Update nach, in dem er schrieb, ein weiterer Kontakt hätte die Verhandlungen als in einer früheren Phase beschrieben, möglicherweise verhandelten Twitter und Google nur über eine Zusammenarbeit bei der Echtzeitsuche. Was immer auch geschieht: Twitter benötigt in den nächsten Monaten ein Geschäftsmodell. Noch finanziert sich die Firma allein aus Investorengeldern. Die dürften zwar noch eine Weile reichen. Doch in Zeiten der Krise ist auch ein Highflyer wie Twitter von seinen Geldgebern angehalten, möglichst bald in die schwarzen Zahlen zu kommen.
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