Alle integriert

Seit gestern hat das integrative Jugend-und Kinderprojekt „Circus Mignon“ auf einem Recyclinghof in der Osdorfer Landstraße einen festen Platz

von ANNE HANSEN

„Bis er abgerissen wird, dürfen wir rein“, erzählt Martin Kliewer erleichtert. Mit „er“ meint er den ehemaligen Recyclinghof in Iserbrook, mit „wir“ den Circus Mignon.

Gestern hat der Circus Migon in der Osdorfer Landstraße einen festen Platz gefunden. Der Recyclinghof wurde vor einem Jahr geschlossen, und für die Räume gab es viele Bewerber. Darunter der Circus Mignon. Da das Projekt den Jugend- und Kinderschutzpreis Altona im Jahr 2002 gewinnen konnte, setzten sich alle Parteien dafür ein, dass der Circus nach Altona kommt. „Es gab da eine sehr seltene Einigkeit der Parteien“, stellt Kliewer fest. Das Ergebnis: Seit gestern können nun die Wagen untergestellt und repariert werden, die Kostüme und Requisiten haben ein eigenes Lager und in der Mitte des Recyclinghofs gibt es einen Platz: für das Zelt. „Nun kann der Circus erst richtig beginnen“, erklärt Direktor Kliewer. Wenn der 46-Jährige über den neuen Platz spricht, dann wird er euphorisch. Dann erzählt er, dass es viele neue Projekte geben wird, dass mehr Kinder mitmachen können, dass ein Bus dahin fährt und dass er „einfach komplett begeistert“ sei.

Den Anfang für den Circus Mignon machten zehn behinderte Kindern aus dem Haus Mignon, die in einer Turnhalle Circuskunststücke einübten. Die Therapeuten waren auf der Suche nach neuen Formen der Bewegungstherapie. Nicht behinderte Kinder guckten aber durchs Fenster zu und wollten auch dabei sein. Inzwischen machen rund 100 Kinder und Jugendliche beim Circus mit, wieviele davon geistig oder körperlich behindert sind, kann Martin Kliewer nicht sagen. Das spiele nämlich keine Rolle. Das sei egal. Darüber solle man nicht schreiben.

Für die Medien sei das am Anfang immer der Aufhänger gewesen: „Huch, da werden behinderte Kinder integriert, da schreiben wir drüber“, imitiert Kliewer. Dabei gehe es darum, dass Kinder –egal ob behindert oder nicht – einfach „super Circus“ machen würden, dass es Spaß mache, denen zuzugucken, und dass es sich – wenn man überhaupt von einer Integration sprechen möchte – wohl eher um eine „Integration umgekehrt“ handelt, wie Kliewer es nennt. Schließlich waren die behinderten Kinder zuerst da und die nicht behinderten kamen dazu. „Und überhaupt“, fügt der Circusdirektor hinzu, „ist Circus eine ganz andere Welt. Da müssen sowieso alle integriert werden. Ob behindert oder nicht.“ Thema abgeschlossen.

Zwei von den Integrierten in eine ganz andere Welt sind Jakob Carlberg und Sanny Kansy. Jakob geht auf die Waldorfschule, ist 13 Jahre alt und Clown. Sanny geht auf eine heilpädagogische Schule, ist lernbehindert, zehn Jahre alt und auch Clown. Zusammen spielen sie die „Mützen-Clown-Nummer“. Beide sind seit zwei Jahren beim Circus und finden es toll. Beide wollten von Anfang an Clown sein, obwohl „es richtig schwer ist“. Und sie verstehen sich gut, auch außerhalb der Manege. Einen Unterschied gibt es zwischen den beiden nicht. Nur einen kleinen vielleicht. Jacob Carlberg weiß noch nicht, was er später werden will. Für Sanny Kansy ist das klar: „Wenn man einmal Clown war, dann muss man natürlich auch Clowntrainer werden.“