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Alle Mann von Bord

■ Vor dem Bayern-Spiel (morgen um 15.30 Uhr) geriert sich der HSV als Seefahrer-Kollektiv Von Marcus Reddemann

Vorbei die HSV-Glanzjahre, in denen vor den prestigeträchtigen Nord-Süd-Duellen gegen Bayern München vor allem die Mannschaftsaufstellung interessierte. Gestern, bei der vor Heimspielen üblichen Pressekonferenz, stellte sich vielmehr die Frage, wer das sinkende HSV-Schiff wohl zuerst verlassen wird: Steuermann Möhlmann, Zahlmeister Flomm oder Kapitän Wulff? Oder gehen alle drei gemeinsam auf die Planke?

Während Flomm gute Kinderstube erkennen ließ („Wenn sich Herr Wulff an die Spielregeln hält, halte ich ihn immer noch für einen guten HSV-Präsidenten“), präsentierte Möhlmann bedeutungsschwangere Metaphern, mit denen er die sportliche Krise darzustellen versuchte: „Das HSV-Boot ist angeschlagen, hat vielleicht sogar ein Leck.“ Aber: „Der Schaden ist reparabel. Wir werden das Schiff auch gegen die widrigen Verhältnisse, gegen stürmische Winde und hohe Wellen wieder in ruhigere Gewässer bringen.“ Amen.

Im Stil des still und resigniert vor sich hin philosophierenden Steuermanns kennt man den HSV-Trainer seit längerem. Neu hingegen war die gleichzeitige Aufforderung zum kollektiven Deckschrubben. Der Trainer, der bei anstehendem Ärger ansonsten unter Deck zu gehen pflegt, scheint nach Medienschelte und ständigen Kompetenzstreitigkeiten in der Chefkajüte nun die Ärmel hochkrempeln zu wollen: „Wir müssen diese Geschichte jetzt durchstehen und wieder anfangen, Fußball zu spielen.“ Wenn dabei herauskomme, daß man auch mal wieder drei oder vier Spiele verliere, sei ihm das auch egal, denn: „Niederlagen gehören nun mal zum Fußball dazu.“ Seine Qualitäten will Trainer Möhlmann aber nicht länger an einer Mannschaft messen lassen, die sich derart desolat präsentiere. „Ich will, daß die Mannschaft wieder vernünftigen Fußball spielt, das ist schließlich ihre verdammte Pflicht, um mit einem versöhnlichen Abschluß die Saison zuende zu bringen“.

Nur mit Durchhalteparolen wird die Stimmung an Bord der MS Möhlmania nicht zu heben sein: Die Mannschaft wirkt nach den Pleiten-, Pech- und Pannen-Partien psychisch angeschlagen und darin liegt wohl auch das am schwersten wiegende Defizit der Truppe. Mut zur eigenen Stärke und Selbstbewußtsein müsse man ihr wieder geben, so der Trainer. Aber woher nehmen, wenn nicht stehlen? Zunächst soll durch spielnahe Trainingsformen, Einzelgespräche und eine stärkere Einbindung des Trainers als bisher der Mannschaftsgeist gestärkt werden. „Vielleicht“, so Bennos Erkenntnis, „habe ich mich bisher nicht genügend darum gekümmert.“

Schwierig wird es für den immerhin noch Bundesliga-Neunten aber auch, weil im kurzlebigen Bundesligageschäft nur der schnelle Erfolg zählt: Die Fans erwarten schon gegen die nach ihrem Erfolg in der Champions League erstarkten Bayern Wiedergutmachung für die Schmach der letzten Wochen.

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