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Alle Körnchen zurück auf Anfang

■ „Quest“– kaum noch zu gucken und schon zu kaufen

Der Boden ist aufgerissen, die Luft schmiergelt. Der Körper des Männchens, eine einzige Dürrelandschaft. Kein Ort scheint weiter von einer Heimat als diese staubige Ödnis, in die irgend etwas den armen Kerl hineingeworfen hat. Er rappelt sich hoch und klopft sich den Staub von den Sandarmen. Der Himmel sieht nur so aus, als weinte er jeden Moment. Tatsächlich dämmert er nur, und so leuchtet es zunehmend seltsam in die menschenleere, kleine Zivilisationsparabel von Thomas Stellmachs und Tyron Montgomery Animationsfilm Quest. Die Wasserflasche ist leer und so gräbt das Männchen jeder feuchten Spur und falschen Spiegelung nach und gräbt immer und immer weiter, mit einer Mechanik aus Durst und Verzweifelung und jenseits aller vernünftigen Ausdauer. Es buddelt sich durch Papierwüsten und Industrielandschaften, deren Menschen- und Produktlosigkeit der Film in stumme, bizarre Bilder faßt. Weitergraben, bis die Dimensionen einstürzen und ein unverhofftes Meer den Verzweifelten aufnimmt, um ihn gleich wieder durchgerührt und aufgelöst auszuspucken. Körnchen für Körnchen und zurück auf Anfang. Ein gestrandeter kleiner Odysseus und nirgends ein Ithaka.

Quest ist ein kurzer Film über den ewigen Kreislauf des unausweichlichen Daseinselends. Und zugleich, je länger man in die traurigen augenlosen Sehhöhlen des Gequälten schaut, scheint der Film mit extremer Empfindsamkeit Momente trübster individueller Leere zu registrieren. Technisch und handwerklich bestechend gut gemacht entwickelt das Duo eine schlichte Bildsprache, die trotzdem alle Konventionen des Bedeutsamen vermeidet. Und wenn das Männchen aus Sand gerade nochmal seine weichen, müden Glieder über einen Felsvorsprung hievt, bleiben nur Herzen aus Stein ungerührt.

Quest hat in diesem Jahr den Oscar für den besten Kurzfilm bekommen. Ein Jahr schneller kürte ihn das Hamburger Kurzfilmfest zum Besten seiner Sorte. Heute läuft der Film noch einmal als Vorfilm von Das Leben ist eine Baustelle um 20 Uhr im Zeise. Wer das verpaßt, kann den Film als VHS-Kassette für 15 DM bei der KurzFilmAgentur Hamburg, Friedensallee 7, beziehen.

Birgit Glombitza

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