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Alle Jahr - UNO–Jahr

■ 1987 ist UNO–Jahr für „Menschen in Wohnungsnot“ Wohnungsministerium organisierte den Auftakt

Bonn (taz)– Um dem Sog des Unbedeutenden zu entrinnen, einmal wenigstens in die Schlagzeilen der „Aus aller Welt“–Seiten zu kommen, müssen sich manche Bundesministerien schon besonders zynische Aktionen einfallen lassen. Gestern haben sie es geschafft: Die bundesdeutsche Auftaktveranstaltung zum UNO–Jahr 1987 „Menschen in Wohnungsnot“ wurde von den Oscar–Schneider– Mitarbeitern geplant und vom Minister selbst mit abgehalten. Im Foyer der Bad Godesberger Stadthalle wurde man gleich richtig eingestimmt: Wohnungsnot - ein Problem der Dritten Welt. Dagegen hilft eine hübsche rote Maschine, die aus Dreck Lehmziegel macht; maßstabsgerechte Hochhaussiedlungen a la Märkisches Viertel und vor allem die Kreditanstalt für Wiederaufbau, die mit Hochglanzprospekten für sich wirbt. Wohnungsnot im Süden der Welt ist schlimm - sie hat aber auch ihre malerischen Seiten, wie uns ein Stand suggeriert, an dem südamerikanische und afrikanische Früchte dargeboten und schöne folkloristische Bilder gezeigt werden. Wohnungsnot in der Bundesrepublik - das ist für Minister Schneider und sein gestern vielbeklatschtes Team kein Thema. Warum in die Nähe schweifen, wo sich Entwicklungshilfe doch viel besser anhört. Zwar schätzt das Ministerium selbst, daß es mindestens 200.000 Obdachlose in der BRD gibt, aber das ist ja kein politisches Problem, sondern „Ergebnis der Mietzahlungsfähigkeit und Mietzahlungsbereitschaft der von Obdachlosigkeit bedrohten“ und, ein kleines bißchen, „der Anstrengungen der Kommunen“, wie die Staatssekretärin Koeppinghoff in einem Aufsatz schreibt. Wenn das Bundeswohnungsbauministerium das Jahr 1987 unbehelligt UNO–Jahr–feiernd übersteht, fordern wir für 1988 ein UNO–Jahr für „Menschen in Gedankennot“. oto

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