piwik no script img

verlag

Aline Lüllmann und Ann-Kathrin Liedtke über die Zukunft des Onlinejournalismus' Darf’s ein bisschen solidarischer sein?

Die taz ist eine der letzten deutschen Zeitungen ohne Paywall im Internet. Warum unser freiwilliges Bezahlmodell „taz zahl ich“ wichtig für die Demokratie war, ist – und bleibt.

Warum dieser taz-zah-ich-Button an einer Kette mit Holzananas hängt wissen wir auch nicht, aber taz zahl ich ist eben einzigartig Foto: Karsten Thielker

Aus der taz | Wer zahlt für etwas, das eigentlich umsonst ist? 2011 haben wir aus dieser Frage eine Aussage gemacht und den Traum vom kostenlosen Internet weitergesponnen – in dem Jahr, in dem die New York Times die Paywall einführte, wählte die taz einen anderen Weg: den Weg der Freiwilligkeit.

Wer kann und will, kann für unsere Inhalte zahlen, aber niemand muss. Ein Modell, das funktioniert und hinter dem wir bis heute aus Überzeugung stehen.

Wir sind der Überzeugung: Informationen müssen für alle zugänglich sein. Dieser Ansatz ist unverhandelbar, besonders wenn wir die Rolle des Zugangs zu Informationen in einer Demokratie betrachten.

Gut informierte Bürger:innen sind aktive Bürger:innen

Menschen müssen informiert sein, um an politischen Entscheidungsprozessen teilzunehmen, ihre Stimmen abzugeben und fundierte Meinungen zu bilden. In Zeiten, in denen eine rechtsextreme Partei erstmals seit 1945 wieder stärkste Kraft bei einer Landtagswahl geworden ist und die Gesellschaft sichtbar gespalten ist, ist dieses Gut wichtiger denn je.

Informationen ermöglichen es, die Handlungen der Regierungen zu hinterfragen, Transparenz zu fördern und letztlich Rechenschaft einzufordern. Nur informierte Bürger:innen können aktiv werden – und die Quellen, aus denen sie ihre Informationen beziehen, haben entscheidenden Einfluss auf ihre Meinungsbildung.

1% spendenbasierte Zeitungsmodelle

Unabhängige und vielfältige Nachrichtenquellen sind notwendig, um ein umfassendes Bild der gesellschaftlichen, politischen und wirtschaftlichen Entwicklungen zu vermitteln. Wenn Medien in der Lage sind, investigativen Journalismus zu betreiben und kritische Fragen zu stellen, tragen sie zur Bildung einer informierten Öffentlichkeit bei und helfen, Machtmissbrauch zu verhindern.

In den letzten Jahren haben jedoch viele Nachrichtenorganisationen Paywalls eingeführt, um ihre Online­-Inhalte zu monetarisieren. Laut einer Erhebung des BDZV aus dem Jahr 2021 setzt die Mehrheit – 70 Prozent – auf ein sogenanntes Freemium-Modell, bei dem ein Teil der Inhalte kostenlos und der andere nur über Bezahlung zugänglich ist.

Ann-Kathrin Liedtke

Leitung taz zahl ich. Seit 2016 bei der taz. War erst mit taz meinland quer durch Deutschland unterwegs, dann Verantwortliche der taz Blogs und Programmredakteurin beim taz lab. Jetzt zuständig für solidarisches Bezahlen auf taz.de.

Nur 1 Prozent der deutschen Zeitungsbranche nutzt wie die taz ein spendenbasiertes Paid-Content-Modell, bei dem alle Inhalte frei zugänglich sind.

Paywalls verstärken soziale Spaltung

Die Eingrenzung von Inhalten hinter Paywalls führt allerdings dazu, dass die Vielfalt der Quellen für die Meinungsbildung abnimmt. Wenn Nutzerinnen und Nutzer für jeden Artikel ein Plus-Abo abschließen müssen, ist es weniger wahrscheinlich, dass sie verschiedene Quellen heranziehen, um sich zu informieren.

Studien zur Zahlungsbereitschaft zeigen zudem, dass Personen eher bereit sind, für Informationen zu zahlen, die ihre bestehenden Meinungen bestätigen. Die passive, algorithmusgesteuerte Informationsbeschaffung über soziale Medien verstärkt diese Entwicklung noch.

Paywalls können außerdem die Kluft zwischen sozialen Gruppen vertiefen. Menschen mit geringem Einkommen oder in prekären Lebenslagen haben oft nicht die Möglichkeit, für Nachrichten zu bezahlen. So werden sie von wichtigen Informationen ausgeschlossen und ihre Fähigkeit beeinträchtigt, informierte Entscheidungen zu treffen, um aktiv am demokratischen Prozess teilzunehmen.

Homogenisierung von Information

Kostenpflichtige Angebote bergen noch ein Risiko: Sie gefährden die Vielfalt der Berichterstattung. Riskante oder unpopuläre Themen lassen sich oft nicht oder nur schwer monetarisieren. Dies könnte zu einer Homogenisierung der Informationen führen und die kritische gesellschaftliche Debatte einschränken.

Wir sind uns bewusst, dass wir als taz das Dilemma nicht für alle lösen können, aber wir können mit gutem Beispiel vorangehen. Neben uns setzen mittlerweile auch z. B. Neues Deutschland und die Kontext auf Freiwilligkeit, und auch international zeigen der Guardian in Großbritannien, der Standard in Österreich oder El Diario in Spanien, dass Solidarität funktionieren kann.

Die Lösung erfordert zwar Kreativität und Zusammenarbeit innerhalb der Verlagsbranche sowie mit anderen gesellschaftlichen Akteuren. Doch wenn Verlage innovative Ansätze verfolgen, können sie langfristig sowohl finanzielle Stabilität gewährleisten als auch den Zugang zu Informationen fördern – was letztlich der Demokratie zugutekommt.

Twitchs Verwandtschaft zu tzi

„Pay-what-you-want“-Modelle wie „taz zahl ich“ können eine bedeutende Rolle in der Medienlandschaft spielen: von Medienbildung über Demokratieförderung bis hin zu Informa­tionsvielfalt.

Durch das freiwillige und selbstbestimmte Zahlen drücken die Leserinnen und Leser aber vor allem Wertschätzung aus. Denn im Gegensatz zur Finanzierung über Anzeigen setzt das freiwillige Zahlen nicht auf den schnellen Klickeffekt, sondern auf qualitativ hochwertigen Journalismus.

Internetaffine Menschen kennen das Prinzip des freiwilligen Bezahlens vielleicht auch aus einem anderen Kontext: Auf Twitch oder Youtube sind sogenannte Donations selbstverständlich. Auch hier kostet der reine Konsum des Inhalts nichts – doch die Nutzenden zahlen trotzdem. In Livestreams spendet die Community teils hohe Summen, um ihre Creators zu unterstützen.

Beziehung und Vertrauen

Denn der Grund für den Erfolg dieses Modells liegt – ob auf Twitch oder bei der taz – in der Beziehung und dem Vertrauen. Je enger das Verhältnis, je größer das Vertrauen, je mehr man sich identifizieren kann, desto eher sind Menschen bereit, einen Beitrag zu leisten. Das zeigt sich besonders in Krisenzeiten.

Allein in den wegen der Coronapandemie von Unsicherheit, finanziellen Einbußen und menschlichen Verlusten geprägten Jahren 2020 und 2021 meldeten sich mehr als 19.000 Menschen für einen freiwilligen, regelmäßigen Unterstützungsbeitrag an und sorgten für ein rasantes Wachstum unserer Community.

Was vor mittlerweile 13 Jahren als Traum mit nicht einmal 1.000 Unterstützenden begann, ist heute gelebte Realität. Mittlerweile hat sich das Bewusstsein dafür, dass Qualitätsjournalismus auch online Geld kostet, durchgesetzt.

Gemeinsames Interesse

Rund 39.000 Menschen zahlen heute einen regelmäßigen Beitrag für etwas, das eigentlich kostenlos ist. Von 5 Euro bis 5.000 Euro im Jahr – die Unterstützenden können den Beitrag, den sie zahlen können und wollen, selbst bestimmen. Menschen, die an speziellen Themen interessiert sind, sind oft bereit, höhere Beiträge zu zahlen, um sicherzustellen, dass ­solche Inhalte weiterhin produziert werden.

Aline Lüllmann

Co-Geschäftsführerin der taz seit 2020. Sie hat „taz zahl ich“ seit 2011 mit aufgebaut und als wichtige wirtschaftliche Säule der taz etabliert.

Der Zugang zu Informationen ist ein fundamentales Element der Demokratie. Es liegt in unserem gemeinsamen Interesse, sicherzustellen, dass Informationen für alle zugänglich sind – unabhängig von finanziellen Mitteln.

Während andere Medienhäuser sich dieser Verantwortung entziehen und sich vor allem auf die eigene Wirtschaftlichkeit konzentrieren, setzen wir als taz mit unserem Konzept „taz zahl ich“ auf Solidarität und freie Zugänglichkeit.

Herausforderungen der Medienfinanzierung

Auch wenn die Monetarisierung digitaler Inhalte eine Herausforderung darstellt, ist es unerlässlich, Wege zu finden, um qualitativ hochwertige Informationen für eine breite Öffentlichkeit verfügbar zu halten.

Wir sind überzeugt, dass das freiwillige Zahlen für Inhalte die beste Möglichkeit darstellt, die Herausforderungen der Medienfinanzierung anzugehen und gleichzeitig den Zugang zu Informationen zu fördern.

Die taz ist deshalb die erste Zeitung, die ihren Inhalt ins Netz gestellt hat – und eine der letzten, die ihn auch weiterhin frei zugänglich hält. 🐾

■ Unser Solidarmodell für den frei zugänglichen Journalismus auf taz.de – hier können auch Sie mitmachen