: Alice Schwarzer ist keine Säulenheilige
■ Das taz-Porträt über Alice Schwarzer zum Frauentag löste heftige Reaktionen aus. Bleiben die Fragen: Darf man über die „Emma“-Ikone schreiben? Und wenn ja, wie? So wie Bascha Mika? Cathrin Kahlweit (SZ) und Gerd Henschel (Titanic) meinen:
Das neue Idol des Feminismus ist, wie man dem vorletzten Spiegel entnehmen konnte, Daisy Duck. Weil sie „die Konvention des Datings“ bricht, also nicht am ersten Abend mit dem Mann ins Bett geht, der ihr Essen bezahlt, empfindet die Feministin Marlene Streeruwitz Ms. Duck als Siegerin über Macho-Gelüste. Jenseits dieser Comic-Figur sei der Feminismus gescheitert.
Wenn Frau ihrem Mann die Currywurst verweigert...
Tatsächlich – der Feminismus muß ziemlich am Ende sein, wenn zur Erich-Boehme-Show „Talk im Turm“ Hera Lind und Uschi Glas geladen werden, um über starke Frauen zu reden. Oder wenn im Stern die Noch-Gattin Gerhard Schröders von einer Frau dafür abgewatscht wird, daß sie ihrem Mann die Currywurst am Abendbrottisch verweigerte. Betrachtet man die schleichende Annäherung von Feminismus und Unterhaltung, dann ist es eigentlich fast löblich zu nennen, wie sehr Bascha Mika in der taz gegen diese Entwicklung am Beispiel von Alice Schwarzer zu Felde zieht. Tatsächlich: Alice Schwarzer scheint Vergnügen daran zu finden, als Jury-Mitglied an Rate-Shows teilzunehmen oder bei Biolek zu talken. Frau Schwarzer gilt allerdings auch umgekehrt in der Unterhaltungsbranche als guter Einkauf, weil sie schlagfertig und kämpferisch ist. Und wer ist das schon unter all den Non-Promis, die sich tagtäglich auf der Glotze drängeln? Alice Schwarzer tanzt als Funkenmariechen auf dem Kölner Karneval. Sie fährt einen „schwarzen Saab“ und trägt gerne „teure Fummel“. Sie läßt sich gerne fotografieren und möchte dabei nicht häßlich aussehen. Sie möchte geliebt werden und gut verdienen und arbeitet an ihrem Mythos auch mittels dessen, was Gesellschaftspolitik heute bestimmt – mittels der Medien.
Alice Schwarzer – eine eitle Geckin, die die Monstranz des eigenen Ruhms vor sich herträgt und jedes Mittel nutzt, um ihren Ruhm in klingende Münze umzusetzen? Bascha Mika beklagt, daß die Vorzeigefeministin, hinter der sich alle immer so gern verschanzt hätten, „auf den Wogen des Feminismus nach oben gespült wurde. Doch seit Mitte der 80er Jahre ist die Welle unter ihr weggeschwappt.“ Die Heldin hocke noch immer oben – „aber unter ihr ist nichts“. Diese Analyse stimmt, und eben weil das so ist, weil unten nichts mehr ist, bleibt vieles von dem marginal, was Kritikerin Mika zusammenträgt, um Frau Schwarzer als Anpaßlerin zu brandmarken.
Wer macht denn heutzutage noch eine feministische Frauenzeitung – Uschi Glas vielleicht? Unter Alice, auf der hinwegschwappenden Welle, die sich wieder mit den unendlichen Weiten des Meeres vereint, ist die Mehrheit derjenigen untergegangen, die noch vor Jahren mit der Parole von der Frauenpower durch die Lande marschiert ist. Heute macht nicht mehr „Das andere Geschlecht“ Auflage, sondern das „Superweib“. Da ist manch frustrierte Frau schon dankbar, wenn sie in der Emma zwischen Lesben-Anzeigen und Tierschutz ab und zu auch kluge Artikel über ihresgleichen findet.
Ob man so über Alice Schwarzer schreiben dürfte, wie Bascha Mika das getan hat, wurde in den vergangenen Tagen überall dort diskutiert, wo man nicht findet, daß Politik für Frauen schon bei der Freude über die Existenz von Rita Süssmuth aufhört. Wäre die Antwort „nein“, müßte sich frau über die Fortdauer des Dogmatismus einer Szene ärgern, die zu lange sehr dogmatisch war. Auch über Alice Schwarzer muß man polemisch schreiben dürfen; schließlich ist sie nicht sakrosankt, ist keine Säulenheilige. Und wer austeilt, muß auch einstecken können.
Alles Quatsch, der Mythos von der ach so anderen Frau...
Allerdings muß sich Bascha Mika vorwerfen lassen, daß sie bei aller rhetorischer Brillanz und guter Recherche das eine oder andere übersehen hat. Zum Beispiel die Kardinalfrage: Warum darf eine, die vielen, wenn schon nicht als Mutter, dann doch als Protagonistin der Frauenbewegung in der Nach-Achtundsechziger-Zeit gilt, eigentlich nicht stark sein? Warum können es Frauen nicht hinnehmen, wenn frau unangenehm sein kann, autoritär, egozentrisch? Weil der Mythos von den Frauen, die ja ach so anders sind, von der Solidarität der Schwestern, heiliger ist als die Frage nach dem Erfolg einer Idee?
Waltraud Schoppe, die in der radikalen Frauenbewegung großgeworden ist und einst Frauenministerin in Niedersachsen war, hat mal in einem Interview beklagt, daß die Fundi-Feministinnen, die doch so gern ihr Anliegen in die große Welt tragen wollten, ihr, Waltraud Schoppe, die Arbeit ziemlich erschwerten. „Frauen wollen immer alles an einer Frau akzeptieren können, die an der Spitze steht. Die Position muß stimmen, die Art der Durchsetzung muß stimmen. Sie darf nie zeigen, daß sie Lust an der Macht hat. Sie muß unten im Jammertal stecken und gleichzeitig oben, wo die Luft dünn ist, etwas durchsetzen können.“
Das ist der Knackpunkt: Sicherlich wäre es erhebender, wenn Alice Schwarzer nicht nur erfolgsorientiert, sondern auch durchgängig nett wäre. Aber Oskar Lafontaine ist auch nicht deshalb SPD- Vorsitzender geworden, weil er so nett zu seinen Mitmenschen ist.
Überdies: Tief fallen in der Achtung ihrer Fans, Enttäuschung säen unter ihren Anhängerinnen kann nur diejenige, die vonanderen zur Heldin stilisiert wird. Bascha Mika spielt das Thema „Alice Schwarzer in den verschiedensten Variationen durch. Heldin qua Selbsternennung? Heldin wider Willen? Heldin im Schwarzerland... Nur weil sich so viele Frauen so lange hinter ihr versteckt haben, konnte sich Alice Schwarzer im Ruf der Einzigartigkeit sonnen.
Also, ihr Guten, Mutigen, Fehlerlosen, Klugen: Nur vor – tretet heraus aus dem Mittelmaß!
Cathrin Kahlweit
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