Algenplage in Chinas Olympia-Segelrevier: Grüner Albtraum
Ein Algenteppich vor Qingdao gefährdet die Segelwettbewerbe der Olympischen Sommerspiele. Schon zuvor ist Skepsis laut geworden, ob Qingdao überhaupt geeigneter Austragungsort ist
BERLIN/QINGDAO taz Für 2008 hat Peking grüne Spiele versprochen - ökologisch vorbildliche olympische Wettbewerbe in sauberer Umwelt. In der 550 Kilometer südöstlich gelegenen Küstenstadt Qingdao, wo ab dem 9. August die olympischen Segelregatten stattfinden sollen, drohen jetzt ganz andere grüne Spiele. Ein Teppich grüner Algen (enteromorpha prolifera) bedroht die Rennen. Der Name der boomenden Acht-Millionen-Einwohner-Stadt bedeutet "grüne Insel". Momentan steht Grün in Qingdao, das auf einer Halbinsel liegt, für einen Albtraum.
Rund 1.100 Fischer- und Marineboote sowie mehr als 10.000 Menschen sind seit gut einer Woche im Einsatz, um die Gewässer von dem schleimig-grünen Kraut zu befreien. 400.000 Tonnen davon wurden laut der chinesischen Nachrichtenagentur Xinhua bis Samstagnachmittag abtransportiert. Ein Drittel des Regattareviers und viele Strände der Stadt sind von der Algenpest betroffen.
Segelt ein Boot in das an der Wasseroberfläche schwimmende Kraut, wird es abrupt gebremst. Es droht ihm Manövrierunfähigkeit. Die bereits vor Qingdao trainierenden Teams sind gespannt, ob die Chinesen die Situation in den Griff bekommen. "Ich habe meine Zweifel," schrieb US-Windsurferin Nancy Rios aus Florida in ihrem Blog. Sie beschreibt die Algenteppiche als schwimmende Fußballfelder. Erwogen wird die Installation riesiger Netze, die das Grünzeug abhalten sollen. Einen alternativen Austragungsort gibt es nicht in China, wo Regattasegeln keine Tradition hat.
Unter Chinas Experten ist umstritten, ob die Algenpest auf Wasserverschmutzung zurückzuführen ist oder nur auf eine optimale Mischung aus Sonnenschein sowie Salz- und Nährstoffgehalt des Wassers. Bisher hatte es vor Qingdao keine Algenprobleme gegeben. Vielmehr war immer wieder Skepsis laut geworden, ob das Revier am Gelben Meer wirklich für Segelregatten geeignet ist. Zu wenig Wind im August, zu viel Strömung und Küstennebel, lauteten die Befürchtungen. Eine tagelange Flaute bei der ersten Testregatta 2006 schien die Sorgen zu bestätigen. Spätere Tests waren erfolgreicher.
An Land wurde keine Mühe für die Segler gescheut. Um für einen Olympiahafen Platz zu schaffen, wurde eine große Werft ans andere Ende der Bucht verlegt. Ende Mai präsentierten Verantwortliche der Stadt den neuen Hafen samt tribünenartiger Außenmole der taz. "Wir sind stolz darauf, die Wettbewerbe durchzuführen," sagt Wang Wei, Vizepräsident des Segelkomitees und führender KP-Kader.
Zwar räumt sein Sportdirektor Dong Hai ein, der Wind im August sei tückisch und andere Monate wären besser zum Segeln geeignet. Doch die Generalsekretärin des Segelkomitees, Jiang Jing, verweist darauf, dass im Notfall drei Rennen an einem Tag gesegelt werden können. Wang Hai betont, wie wichtig die olympischen Regatten für die Stadt seien.
Qingdaos Wirtschaft wuchs in den letzten fünf Jahren um durchschnittlich 16 Prozent und beherbergt heute Chinas drittgrößten Hafen. Die Stadt profitiert von der Nähe zu Südkorea. Von dort siedelten sich zahlreiche Firmen an. Laut Wang wurden die Vorbereitungen der Spiele genutzt, um die Stadt zu modernisieren: "Die Stadt wurde viel größer, viel schöner und ihre Bürger wurden viel zivilisierter und höflicher."
Betroffen waren auch Politiker. Du Shicheng, Qingdaos Ex-Bürgermeister und späterer KP-Chef, wurde im Dezember 2007 wegen Korruption zu lebenslanger Haft verurteilt. Laut Wang hat Du mit den Vorbereitungen der Spiele jedoch nichts zu tun gehabt. Dabei hatte Du die Segelwettbewerbe in die Stadt geholt und persönlich stark von dem dadurch ausgelösten Immobilienboom profitiert. Auf Nachfrage räumt Wang schließlich ein: "Auch die Regierung hat beim Vorbereiten der Spiele gelernt, transparenter zu arbeiten und sich an die Gesetze zu halten." Doch jetzt steht und fällt in Qingdao alles mit der Bekämpfung grüner Algen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Israelische Drohnen in Gaza
Testlabor des Grauens
Politikwissenschaftlerin über Ukraine
„Land gegen Frieden funktioniert nicht“
Proteste bei Nan Goldin
Logiken des Boykotts
Bündnis Sahra Wagenknecht
Ein Bestsellerautor will in den Bundestag
Bundeskongress der Jusos
Was Scholz von Esken lernen kann
Nan Goldin in Neuer Nationalgalerie
Claudia Roth entsetzt über Proteste