Aldi und Wal-Mart wollen New York: Superstore me!
Riesige Supermärkte statt Tante Emma um die Ecke: Was in New York bisher undenkbar war, möchten Wal-Mart und Aldi wahr machen - und damit das Stadtbild verändern.
Nur fünfzehn Minuten Fahrzeit und knapp 12 Kilometer trennen das Ostufer von Manhattan von der Aldi-Discount-Welt. Die liegt im größten der fünf New Yorker Stadtteile, Queens. Direkt an einer Schnellstraße, Parkplätze vor der Tür, über 1.400 Produkte in den Regalen.
Das deutsche Unternehmen hat geschafft, woran amerikanische Supermarktketten bislang gescheitert sind: einen großen Supermarkt in New York City zu eröffnen. Seit Ende Februar gibt es für New Yorker auf 930 Quadratmetern das Aldi-Prinzip: No-Name-Produkte direkt aus dem Karton - aber bitte an die Einkaufstasche und die nicht ganz so flexiblen Öffnungszeiten (Sonntags nur bis 20 Uhr) denken.
Doch außer diesen "deutschen" Besonderheiten bietet Aldi erstmals das Discounterprinzip für die größte Stadt der USA an. Und das deutsche Unternehmen ist zufrieden. "Bei der Eröffnung kamen innerhalb der ersten 30 Minuten mehr als 500 Kunden", sagt Lauren Acosta der taz. Wie es seit der Anfangsseuphorie läuft, verrät die Sprecherin nicht. Nur soviel: Zwei weitere Filialen sollen noch in diesem Jahr in New York eröffnet werden, einer davon in der Bronx.
Wal-Mart blieb bisher draußen
Bislang hat sich New York, wo eigentlich alles nach dem Prinzip "Größer ist besser" zu funktionieren scheint, bei Lebensmittelmärkten Zurückhaltung auferlegt. Ein Wal-Mart Supercenter, das Flagschiff des größten Einzelhandelskonzerns der Welt, mit einer durchschnittlichen Fläche von 17.000 Quadratmetern und Zehntausenden Produkten, gibt es in New York nicht. Und auch keine etwas kleinformatigere Filiale des Konzerns. Im Schatten der Häuserschluchten existieren kleine Läden und Spezialitätenhändler. Bislang mit breiter Unterstützung der New Yorker – den höheren Preisen zum Trotz.
Schon mehrfach hat Wal-Mart versucht, den New Yorker Markt zu erobern, scheiterte aber bislang an der lokalen Politik, die die Tradition der kleinen Läden pflegte. Und an den Gewerkschaften, die den Konzern, dessen Mitarbeiter nicht gewerkschaftlich organisiert ist und der immer wieder für seine unfairen Löhne und schlechten Arbeitsbedingungen in der Kritik steht, aussperrten.
Wohl auch weil Aldi - ebenfalls gewerkschaftsfrei - in den USA noch nicht so sehr im Fokus steht wie andere Ketten, konnte das deutsche Unternehmen in New York Fuß fassen. Darüber hinaus sind die Läden für amerikanische Verhältnisse kleiner, und damit ist es leichter, Standorte zu finden.
Standardargument Arbeitsplätze
Aldi als größter Konkurrent für Wal-Mart im Big Apple? "Da wir noch nicht in New York agieren, ist Aldi auch keine Konkurrenz für uns", gibt sich Wal-Mart-Sprecher Steve Restivo gegenüber der taz reserviert. Wal-Mart habe noch kein konkretes Projekt in der Stadt. Doch die generalstabsmäßige Kampagne läuft, um New Yorks Stadtbild den hellblauen Wal-Mart-Schriftzug hinzuzufügen. Die Immobiliensuche hat bereits begonnen. "Wir prüfen Optionen in allen fünf Stadtteilen", sagt Restivo. Der Fokus liege dabei auf unterversorgten Gebieten. Die Discount-Mentalität von Wal-Mart verfängt eher in Schichten mit niedriger Einkommensstruktur als auf der 5th Avenue.
Lokale Medien berichten von einer PR-Offensive von Wal-Mart mit Radio- und TV-Spots sowie Flyern. Vor zwei Monaten startete der Konzern außerdem die Seite walmartnyc.com, Motto: "NYC helfen, Geld zu sparen und besser zu leben." Man wolle mit der Gemeinde ins Gespräch kommen, sagt Restivo. "Die Diskussion über Wal-Mart in New York war bisher sehr einseitig." Einseitig positiv sind die Argumente, die Wal-Mart für sich ins Feld führt: Schaffung von Arbeitsplätzen, Steuereinnahmen für die Stadt, Lebensmittel zu einem guten Preis und "ein positiver Einfluss auf die Gemeinde".
Gewerkschaften und Politiker fürchten jedoch durch die Ansiedlung von Wal-Mart eher die Vernichtung von Beschäftigung. Und das Hunter College New York zitiert in einer Literatursammlung über Wal-Mart eine Studie der Universität Bonn aus dem Jahr 2007: "Die Eröffnung eines Wal-Marts bedeutet den Verlust von drei Jobs gegenüber zwei Jobs, die geschaffen werden, denn die Beschäftigung im Einzelhandelsbereich sinkt um durchschnittlich 2,7 Prozent in jedem Bezirk, in den Wal-Mart eindringt."
Discount-Shopping ist populär
Dennoch könnte der Konzern New York genau wie sein Konkurrent Aldi über den Preis knacken. Durch die Wirtschaftskrise ist das Discount-Shopping in den USA populär quer durch alle Schichten. Die Amerikaner sind zu Schnäppchenjägern geworden. Auch die Baumarkkette Home Depot und das Kaufhaus Target haben erste Läden in der größten Metropole der USA eröffnet. Und Wal-Mart investiert in die Lobbyarbeit. Neben der PR-Kampagne wurde New Yorks Bürgermeister Michael Bloomberg engagiert, für Wal-Mart im Big Apple zu trommeln.
Doch noch regt sich Widerstand gegen die großen Ketten. Einzelhändler fürchten um ihre Existenz, viele Bürger um das Stadtbild und Gewerkschaften im traditionell demokratischen New York wollen kein Unternehmen mit schlechtem Image, das nicht mit ihnen kooperiert. Das National Public Radio zitiert Stadtrat Charles Barron nach einer Sitzung zum Thema Wal-Mart: "Wir suchen verzweifelt nach Jobs, aber wir nehmen nicht alles. Wir wollen Jobs mit Würde, mit Integrität."
Die Gegner haben sich zur Initiative Walmart Free NYC zusammengeschlossen, um eine Ansiedlung des Mega-Discounters zu verhindern. Auf Facebook haben sie knapp 4.200 Fans. "Wir wollen Wal-Mart nicht" oder "Wal-Mart, du bist beschissen", steht dort geschrieben.
68 Prozent würden bei Wal-Mart kaufen
Natürlich sind auch die New Yorker Fans von Wal Mart auf Facebook vertreten; mit über 40.000 Fans. "Die überwältigende Mehrheit der Bürger will Wal-Mart in der Stadt haben", ist Sprecher Restivo überzeugt. Eine aktuelle Umfrage der Quinnipiac Universität gibt ihm recht: 68 Prozent der Befragten New Yorker würde demnach im Wal-Mart einkaufen gehen.
Wal-Mart wird dranbleiben am letzten großen Markt, den der Konzern noch nicht hat erobern können. Denn Aldi werden sie das Feld sicher nicht kampflos überlassen. Genausowenig wie er Rücksicht nehmen wird auf die kleinen Geschäfte, die die Stadt über Jahrzehnte geprägt haben. "Wir haben doch schon zwei K-Mart, einen davon im Village - um Himmels willen", schreibt Liz auf der Seite des Nachrichtensenders ny1. Doch in diesem Kampf wird das Portemonnaie der Masse wohl die Tradition schlagen.
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