: »Akzeptanz der Bevölkerung vordringlich«
■ Deponie Glindow verseucht Trinkwasser der Umgebung/ Protest von Umweltschützern/ Parallel ermittelt Expertengruppe des Regionalausschusses Standorte für Mülldeponien im künftigen Land Brandenburg/ Gutachten im Oktober abgeschlossen
Berlin-Brandenburg. Der einzige intakte Badesee im Bezirk Potsdam ist der Plessower See bei Werder. Rechts davon wachsen Sanddornsträucher, links in langen Reihen Apfelbäume. Doch nur wenige Meter weiter karren alle fünf Minuten Lastwagen Fäkalien aus den benachbarten Gemeinden an, denn hier liegt die Deponie Glindow. Sie befindet sich mitten im Trinkwasserschutzgebiet. Mitglieder einer Bürgerinitiative des Neuen Forums fürchten nun, daß die Tonschicht der Grube bricht, und besetzten deshalb gestern kurzfristig »symbolisch« die Deponie.
Weitere Deponien geplant
Messungen hatten ergeben, daß die Stickstoffwerte des Sees in diesem Sommer die zulässigen Werte um das Zehnfache, die Phosphatwerte um das Fünffache überstiegen hatten. Nach Auskunft des Oberbürgermeisters aus Werder habe man bereits 1,5 Millionen Mark für einen Abwasserkanal investiert, der das direkte Einlassen von Fäkalien in den See vermeide. Ein Klärwerk könne sofort gebaut werden, dann aber müßten die Bürger mehr als das Doppelte für die Entsorgung bezahlen. Dagegen aber regt sich Widerstand in der Bevölkerung. Ein Durchbruch der Grube mit allen Folgen würde aber teurer. Die Laster werden deshalb bis zur Stadtverordnetenversammlung am 11. Oktober weiter ihren Müll in der Deponie abladen.
In der nächsten Woche wird eine Expertengruppe des provisorischen Regionalausschusses einen weiteren Zwischenbericht mit ausformulierten Handlungsalternativen zur Bewältigung der Abfallproblematik im Großraum Berlin vorlegen. Das kündigte der Leiter der Magistratsabteilung für Abfallwirtschaft, Adolf Hause, an. Inzwischen habe man insgesamt eine »zweistellige« Zahl von potentiellen Standorten für neue Mülldeponien und Müllverbrennungsanlagen auf dem Gebiet des künftigen Landes Brandenburg ermittelt, erklärte Hause, der die Expertengruppe leitet. »Damit können wir aber noch nicht an die Öffentlichkeit treten«, so der Magistratsvertreter einschränkend, »weil wir wissen, daß die Akzeptanz der Bevölkerung vordringlich erobert werden muß«.
Unter den Aspekten einer möglichen Grundwasserbeeinträchtigung sowie der Erholungsbedürfnisse und des Naturschutzes gebe es schon eine engere Auswahl der Standorte, sagte Hause. Ein entsprechendes Gutachten der »Ingenieurgemeinschaft technischer Umweltschutz« (ITU) sei im Oktober abgeschlossen.
Der Magistratsvertreter belegte das derzeitige Abfalldilemma mit nüchternen Zahlen. Ihm zufolge gehe der Regionalausschuß davon aus, daß es in Berlin und im Umland jährlich 1,6 Millionen Tonnen zu entsorgenden »Restabfall« gibt. Dies sei das Abfallvolumen, das momentan nicht verbrannt oder recycelt werden könne. Die Menge des im Großraum Berlin jährlich produzierten Hausmülls betrage 3,4 Millionen Tonnen. Am problematischsten seien jedoch die 2,7 Millionen Tonnen Siedlungsabfälle, darunter hochgiftige Lösemittel und Farbreste: »Versteckte Bomben«, so Hause.
Brisant sei wegen des erheblichen Asbestanteils auch der Bauabfall. Bereits jetzt liege die Gesamtmenge des in und um die Stadt jährlich anfallenden Baustellenmülls bei über elf Millionen Tonnen. thok/maz
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