Aktuelle Marktübersicht: Billiger Atomstrom ist Legende
Eine aktuelle Marktübersicht der Deutschen Umwelthilfe zeigt: Anbieter mit viel Atomstrom im Mix sind im Schnitt teurer als die Öko-Konkurrenz.
Je mehr Atomkraft, umso höher der Strompreis - diesen Trend belegt eine Marktübersicht der Deutschen Umwelthilfe (DUH). Die Umweltorganisation wertete die aktuellen Standardtarife von bundesweit mehr als 100 Anbietern aus und verglich diese mit dem Strommix des jeweiligen Unternehmens. Dabei zeigte sich, dass ein hoher Atomstromanteil meist mit hohen Preisen korreliert. "Unser Preisvergleich widerlegt die von den Atomkraftwerksbetreibern und ihren Lautsprechern in der Politik ständig wiederholte Behauptung, Atomstrom sei für die Kunden billiger, als Propagandalüge", sagte der Bundesgeschäftsführer der DUH, Rainer Baake.
Der Anstieg des Strompreises parallel mit dem Atomstromanteil zeigt sich gleichermaßen bei Kleinverbrauchern wie bei großen Haushalten. Die DUH bezog Jahresstromverbräuche von 1.000, 3.000 oder 5.000 Kilowattstunden in die Berechnungen ein. Ein Durchschnittshaushalt mit 3.000 Kilowattstunden Jahresverbrauch bezahlt nach den vorliegenden Daten bei einem atomstromfreien Anbieter im Mittel rund 720 Euro im Jahr, bei einem Anbieter mit 50 Prozent Atomstrom hingegen 740 Euro. Möglich wurde eine solche Auswertung, weil das Energiewirtschaftsgesetz die Stromversorger seit einigen Jahren verpflichtet, im Internet und auf Werbeunterlagen auszuweisen, welchen Strommix sie ihren Kunden zuletzt geliefert haben.
Aus Anlass der Untersuchungsergebnisse rief Baake gestern die Verbraucher auf, ihr Stromgeld "nicht länger an diejenigen zu überweisen, die ihre alternden und immer störanfälligeren Atomkraftwerke in Krümmel, Brunsbüttel, Biblis oder Neckarwestheim bis zum Sankt-Nimmerleins-Tag weiter betreiben wollen".
Umweltminister Gabriel hatte bereits am Samstag den Bürgern nahegelegt, aufgrund der jüngsten Störfälle im Atomreaktor Krümmel ihren Stromanbieter zu wechseln. "Der Verbraucher ist der Souverän. Jeder kann Vattenfall verlassen, wenn er mit der Unternehmenspolitik nicht einverstanden ist", sagte der SPD-Politiker. Er selbst sei vor einiger Zeit zum unabhängigen Ökostromanbieter Lichtblick gewechselt. An die Adresse des Krümmel-Betreibers Vattenfall gerichtet, sagte Gabriel, das Unternehmen solle "nicht ernsthaft auf die Idee kommen, Krümmel wieder hochzufahren". Ohnehin sei es im Interesse von Vattenfall, wenn Krümmel endgültig stillgelegt werde: "Das Restvertrauen in das Unternehmen kehrt nur zurück, wenn es nicht permanent mit einem Problemreaktor identifiziert wird."
Unterdessen wurden am Wochenende weitere Unregelmäßigkeiten im Atomsektor bekannt - und zwar im Forschungsreaktor Jülich, der seit 1988 abgeschaltet ist und dessen Reaktorkern in zwei Jahren herausgehoben werden soll. Wie der Spiegel in seiner heutigen Ausgabe berichtet, hat man in Jülich eine "extrem starke radioaktive Kontamination des Reaktorkerns" festgestellt. "Einer wissenschaftlichen Analyse zufolge ist der Forschungsreaktor über Jahre hinweg mit viel zu hohen Temperaturen betrieben worden und möglicherweise nur knapp an einer Katastrophe vorbeigeschlittert", schreibt das Nachrichtenmagazin. Es beruft sich dabei auf einen Mitarbeiter der Sicherheitsforschung in Jülich. Auch nach Ansicht des Darmstädter Öko-Instituts ist die in der Nähe von Aachen gelegene Anlage aufgrund der hohen Kontamination einer der "problematischsten Reaktoren weltweit". Das Bundesumweltministerium prüft daher gerade, ob Betreiber und Atomaufsicht in Nordrhein-Westfalen versagt haben.
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