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Aktivistin über Hörfunkjournalismus"Beschiss ist an der Tagesordnung"

Das Gesundheitsministerium soll Inhalte in Radiosendern platziert haben. Sandra Müller von der Initiative Fair Radio appelliert an Verantwortung von Hörfunkmitarbeitern.

Mehr Glaubwürdigkeit im Hörfunkstudio - dafür kämpft die Initiative Fair Radio. Bild: dpa

taz: Frau Müller, Sie haben die Initiative Fair Radio mitbegründet. Ist Radio unfair?

Sandra Müller: Es gibt viele Mogeleien. Vor einem Jahr, auf einer Tagung von Hörfunkjournalisten in Tutzing, gab es intime Geständnisse von Kollegen, die täglich mit Arbeitsweisen konfrontiert werden, die sie nicht gutheißen. Daraus entstanden die Initiative und die "Tutzinger Appelle".

Was fordern Sie?

Zum Beispiel, dass Recherche vor Schnelligkeit gehen muss. Das ist im Radio oft außer Kraft gesetzt.

In Tageszeitungen auch.

Es gibt aber auch hörfunkspezifische Forderungen: Es wird viel vorgegaukelt. Geräusche werden unter einen Beitrag gelegt, damit es wirkt, als sei er vor Ort entstanden. Oder eine Live-Situation wird gefakt: Eine Hörerin ruft an und wird vorgeblich vom "Morning-Show"-Moderator interviewt. Dabei hat sie nie mit ihm gesprochen. Sie hat das Interview hinter den Kulissen mit jemand anderem geführt, der Moderator stellt nur noch die Fragen, wie ein Schauspieler.

Einzel- oder Regelfall?

Das passiert häufiger, als uns lieb ist. Diese Form von Beschiss ist an der Tagesordnung.

Wenn eine PR-Agentur Beiträge im Sinn des Gesundheitsministeriums erstellt und Anbieter sie senden, was sagt Ihnen das?

Dass die Bedingungen so schlecht sind, dass man PR-Beiträge ausstrahlen und sich dafür bezahlen lassen muss. Oder dass es kein Schuldbewusstsein gibt.

Lässt man sich bezahlen? Aus dem Ministerium heißt es, in seinem Auftrag sei kein Geld an die Sender geflossen.

Die Verantwortung des Ministeriums ist die eine Sache. Uns geht es aber vor allem um die Verantwortung der Radiomacher. Es gab im ARD-Beitrag [in dem es um PR ging; d. Red.] erstmals Leute, die bestätigen: Ja, es wurde für die Ausstrahlung Geld gezahlt. Einen PR-Beitrag eins zu eins zu senden, verstößt gegen die journalistische Sorgfaltspflicht. Bekommt ein Sender Geld für die Ausstrahlung, verstößt das auch noch gegen den Rundfunkstaatsvertrag.

Wie verbreitet ist das?

Statistiken gibt es nicht, was auch daran liegt, dass die Sender ihr Programm nur drei Monate speichern müssen. Wir kennen aber genügend Beispiele, die zeigen, wie PR-Beiträge als Journalismus verkauft werden. Ein Sender in Niedersachsen zum Beispiel hat einen Beitrag gesendet, den eine PR-Agentur für Ebay produziert hat. Da hat man in der Anmoderation so getan, als wäre der Beitrag von einem Kollegen.

Was können Sie dagegen tun?

Viele Redaktionen nehmen sich keine Zeit, über ethische Fragen zu sprechen. Wir wollen, dass darüber geredet wird.

Gehen Ihre Appelle nur an die Privaten oder auch die Öffentlich-Rechtlichen?

Die Öffentlich-Rechtlichen sind von der Verdrängung von Recherche durch Schnelligkeit genauso betroffen. Mogeleien bei Gewinnspielen gibt es aber eher bei Privaten.

Ein Beispiel?

In Großbritannien wurde der größte kommerzielle Radioanbieter von der Ofcom, der Medienaufsicht, zur Zahlung von 1,1 Millionen Euro verdonnert, weil er bei einem Gewinnspiel betrogen hat. Da wird ein Geräusch eingespielt, und die Hörer sollen bei einer Hotline anrufen und erraten, welches es ist. Da geht die richtige Lösung nie auf Sendung, obwohl sie längst genannt wurde. So treibt man die Leute dazu, weiter anzurufen.

So viel zu Großbritannien.

Stimmt. Und in Deutschland besteht bislang lediglich der Verdacht, dass es ähnlich läuft. Aber der besteht ja nicht grundlos.

INTERVIEW: KLAUS RAAB

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4 Kommentare

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  • SM
    Sandra Müller

    Hallo Sebastian,

     

    schade dass die Diskussion hier gleich "falsch abgebogen" ist.

     

    Zu Deinem Einwand:

    Den hören wir bei FAIR RADIO des Öfteren. Und ja: PR-Beiträge einerseits und die von uns angeprangerten Produktionsmethoden sind zweierlei.

     

    Beim Hörer kommt beides aber oft mit derselben Wirkung an. Denn beides erweckt den Eindruck: Ist ja eh alles nur inszeniert beim Radio. Denen (beim Radio) brauchst Du nix glauben.

     

    Umgekehrt könnte man auch sagen: Das ist Betrug am Hörer.

     

    Das heißt nicht automatisch, dass man auf gebaute Beiträge verzichten muss. Aber wahrhaftig müssen sie eben sein. Will heißen: Wenn am Badesee vor Ort kein Geplätscher mit Badenden war, dann leg ich das auch nicht hinterher von der Geräusche-CD drunter.

     

    Und wenn ich nicht live auf Sendung bin, dann behaupte ich das auch nicht.

     

    Denn wenn der Hörer den Fake einmal mitbekommen hat, dann ist damit DIE Stärke des Hörfunks verspielt: Live und authentisch zu sein. Deswegen zieht meines Erachtens auch der Vergleich mit dem Fernsehen nicht.

     

    Nochmal: Hier geht's um die Glaubwürdigkeit des Mediums Radio und da muss die reine Schönheit eines Höreindrucks nun mal zurückstehen.

     

    Denn es stimmt doch: Wir sind nun mal keine Hörbuchsender. Oder doch? Dann sollte man dem Hörer das aber sagen und nicht so tun, als wäre man journalistischer Berichterstatter.

     

    Wie gesagt. Das ist alles, was wir fordern: Ehrlichkeit.

     

    Alles andere ist Etikettenschwindel. Und so wie ich als Supermarktkäufer berechtigt sauer bin, wenn irgendwo "ohne Zusatzstoffe" draufsteht und dann doch welche drin sind oder ich mich auf jeden Fall beschweren würde, wenn 500 Gramm versprochen aber nur 400 abgepackt sind, so verdient eben auch ein Radiohörer, dass er wirklich kriegt, wonach es klingt, finde ich.

     

    (Noch) Mehr übrigens unter www.fair-radio.net. Diskussion auch dort erwünscht.

  • DS
    Der Sohnemann

    Jegliche Möglichkeit das ernsthaft zu diskutieren hast du dir mit deinem seltendämlichen Pseudonym und deinem arroganten Auftreten verspielt. Vermutlich ist dir das egal. Mir auch. Ich habe meinen Teil gesagt.

  • PV
    Papa von Sebastian

    @ sebastian

     

    kann es sein, dass du journalismus mit hörbuchproduktion verwechselst? also ich will keine gefakten atmos. aber wahrscheinlich bist du auch für die manipulation von bildern, wenn es nur ein wenig schöner und atmosphärischer wird. wo fängst du an und wo hörst du auf?

     

    und zum thema qualitätssicherung: wäre es für dich ok, als interviewpartner zu agieren und dann plötzlich zusammengeschnitten und umarrangiert auf sender mit jemandem zu "sprechen", den du nie getroffen hast und der vielleicht eine ganz andere tonalität in seine "fragen" legt. keine ahnung, was da für qualitäten gesichert werden ...

  • S
    Sebastian

    Werden hier nicht zwei völlig verschiedene Dinge in einem Topf geworfen?

    Das Geld für einen PR-Beitrag fließt kann man gut und gerne angreifen. Das aber (wie hier geschehen) gleichzusetzen mit unter einen Beitrag gemischten Atmos oder nicht live geführten Interviews entbehrt jeglicher Vernunft und Logik.

    Radio ist Kino im Kopf, und da machen Atmos viel aus - sie sollen nur für ein besseres Hör-Erlebnis sorgen!

    Und ob ein Gespräch nun live vom Moderator geführt wird oder vorher von einem anderen Mitarbeiter aufgezeichnet wurde interessiert niemanden und dient vor allem der Qualitätssicherung.

    Im TV wird übrigens nicht viel anders verfahren, nur dass es da etwas aufwändiger ist...