Airbus droht mit Produktionsverlagerung

Im Stadtteil Neuenfelde widersetzt sich ein kleines Schutzbündnis für Wiesen und Äcker den Ausbauplänen des großen Luftfahrtkonzerns

HAMBURG taz ■ Um Äpfel geht es, um Birnen, auch um Sauerkirschen, dort in Neuenfelde, dem Obstbauerndorf im Süden Hamburgs an der Grenze zu Niedersachsen, welches den Ausbauplänen des Airbus-Konzerns im Wege liegt. Nicht so sehr um Wein, aber das hat das Pastorenehepaar Ulrike und Ralf Jenett nicht irritiert. Das biblische Gleichnis vom habgierigen König Ahab druckte es ab im Oktoberbrief ihrer Kirchengemeinde St. Pankratius zu Neuenfelde. Ahap begehrte den Weinberg seines Nachbarn Nabot, den jener aber um keinen Preis verkaufen wollte. Gesteinigt wurde der Widerspenstige am Ende, der König aber zog sich den Zorn des Herrn zu und wurde verdammt. „Was“, fragen die Jenetts schelmisch ihre Gemeinde, „will uns diese Geschichte wohl sagen?“

Zur Kirche gehört ein Grundstück, eine gerade mal 2.000 Quadratmeter große Obstwiese, und die liegt genau in der Verlängerung der Start- und Landebahn des Airbus-Werks. Um 589 auf dann 3.273 Meter wollen der Konzern und der Hamburger Senat die Piste verlängern, hinein in das benachbarte Dorf, drüber weg über zehn Obsthöfe und die Wiese der Kirchengemeinde und knapp vorbei am Glockenturm von St. Pankratius.

Die elf Eigentümer aber wollen ihren Grund und Boden einfach nicht verkaufen und haben im August einen gerichtlichen Baustopp erwirkt.

Darum steht der Hamburger Senat „unter erheblichem Zeitdruck“, wie Wirtschaftssenator Gunnar Uldall (CDU) einräumt. Denn Mitte November will der Aufsichtsrat des nach Boeing zweitgrößten Luftfahrtkonzerns der Welt über weitere Investitionen entscheiden. Im Hamburger Werk steht deshalb ein Auslieferungszentrum für den Airbus A 380 zur Disposition. Man könne das, ließ Konzernchef Noël Forgeard den Hamburger Senat vor drei Wochen ultimativ wissen, auch im französischen Konkurrenzwerk Toulouse errichten, wenn Hamburg bis Ende Oktober keine „Planungssicherheit“ zu bieten habe.

Zwar hängen nur ein paar Dutzend Arbeitsplätze von dieser Entscheidung ab, wenig im Vergleich zu den versprochenen 2.000 Jobs, welche der Bau des doppelstöckigen Riesenjets an der Elbe schaffen soll. Aber viel Prestige hängt daran, ob Airline-Chefs aus aller Welt samt ihren Technikerstäben in die Hansestadt kommen, um hier ihre bestellten Flugzeuge abzunehmen. Wenn nicht, fürchtet Bürgermeister Ole von Beust (CDU), sei es fraglich, „ob der Flugzeugstandort Hamburg auf Dauer noch mithalten kann angesichts der Dimensionen der Globalisierung“.

Und deshalb setzt sein alleinregierender Senat alles daran, in den Besitz der Grundstücke zu kommen, welche Airbus für seine Landebahn braucht. Mit erhöhten Kaufangeboten wurden einige der bislang Widerspenstigen bereits überredet – wie viele, ist nicht bekannt. Nur noch drei seien unwillig, lässt der Senat durchsickern; sechs und die Kirche „bleiben fest“, versichert hingegen Gabi Quast.

Gabi Quast ist Biobäuerin und ihr Hof ist von den Ausbauplänen unmittelbar nicht betroffen. Sie ist Sprecherin des „Schutzbündnisses für die Hamburger Elbregion“, das sich zur Verteidigung der Wiesen und Äcker gegen den Flächenhunger der Industrie gegründet hat. Fast 1.000 Jahre alt ist das Dorf am Ostrand des Alten Landes, des größten europäischen Obstanbaugebietes am Südufer der Elbe, und seit 1937 ist es ein Hamburger Stadtteil. Vor allem die Alteingesessenen trauen den Politikern „in der Stadt“, wie sie die Metropole am anderen Elbufer nennen, nicht über den Weg. Zum dritten Mal binnen zwölf Jahren soll das Airbus-Werk vergrößert werden. Immer hieß es, das sei das letzte Mal. Das versichert auch Ole von Beust. Nicht nur Quast glaubt das nicht mehr. „Die wollen Neuenfelde platt machen“, ist die 44-Jährige überzeugt.

Eine „Bestandsgarantie“ hat der Bürgermeister von Beust deshalb versprochen, nach dem jetzigen Werksausbau sei „definitiv Schluss“. Allerdings ist diese „politische Willenserklärung“ nicht einklagbar und bindet künftige Senate nicht. Und Airbus verspricht einen Fonds von 3 Millionen Euro, damit die Neuenfelder die Reste ihres Dorfes schöner machen können. „Lächerlich“, schnauft Quast nur. SVEN-MICHAEL VEIT