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Air Klinsmann vs. Magic Brasil

In letzter Minute köpfte Jürgen Klinsmann beim US Cup das 3:3 für ein über weite Strecken desolates deutsches Team gegen Brasilien  ■ Aus Washington Andrea Böhm

Jürgen Klinsmann hat sich im Herzen der amerikanischen Presse schon jetzt einen Platz erobert. Erstens spricht er englisch und weiß darüber hinaus, daß Fußball im amerikanischen nicht tumb mit football, sondern mit soccer übersetzt wird. Zweitens hat er im Länderspiel gegen Brasilien zwei Tore geschossen und damit nicht nur der deutschen Mannschaft einen Dienst erwiesen. Ähnlich wie Kleinkinder, die man behutsam, aber beharrlich an feste Nahrung gewöhnt, werden amerikanische Zuschauer zur Zeit der neuen Sportart zugeführt. Am Donnerstag wurde ihnen unter anderem dank Klinsmann demonstriert, daß soccer nicht langweilig sein muß – auch wenn es längst nicht so schnell und akrobatisch zugeht wie bei den gleichzeitig stattfindenden Finalspielen der Basketballiga.

Dabei schien nach der ersten Halbzeit im Washingtoner Robert- F.-Kennedy-Stadion alles gelaufen. Im Turnier um den „US-Cup 93“, einem kleinen Testballon für die Fußball-Weltmeisterschaft 1994 in den USA, hatte ein sichtlich indisponiertes deutsches Team noch vor der Pause drei Tore kassiert, wobei das erste mit der tatkräftigen Hilfe von Verteidiger Thomas Helmer zustande kam, der für Brasilien einen Schuß von Luisinho ins deutsche Tor beförderte.

Es mag an der Hitze (38 Grad), der Luftfeuchtigkeit oder am Jetlag gelegen haben – in den ersten 45 Minuten präsentierten sich Matthäus und Co. in erster Linie als willige Demonstrationsobjekte, an denen die Brasilianer ihre Ballbeherrschung vorführen konnten. Wenig war vom neuen deutschen Sagenhelden Lothar Matthäus zu sehen, der in den USA nicht nur als weltbester Fußballspieler gepriesen, sondern von der US-VIP- Klatsch-Zeitschrift People Magazin auch noch zu den fünfzig schönsten Menschen unter dieser Sonne gezählt wird. Solche Bewertungen sind bekanntlich Geschmacksache und damit höchst subjektiv. Fakt ist, daß von der vielzitierten Antrittschnelligkeit und Schußkraft gegen Brasilien nichts zu merken war.

Das war am Ende nicht so schlimm, denn irgendwie hat es für die Deutschen mal wieder gereicht. Was immer ihnen Bundestrainer Berti Vogts in der Pause gesagt hat (außer, daß jedes Spiel neunzig Minuten dauert), in der zweiten Hälfte begannen die Deutschen das Spielfeld nicht nur in seiner Breite, sondern auch in seiner Länge zu nutzen. Klinsmann sorgte für den Anschlußtreffer, Andy Möller erregte zumindest einmal in diesem Spiel Aufmerksamkeit, als er in der 80. Minute das 2:3 erzielte. Zur kompletten Verblüffung der Brasilianer, die ihren knappen Vorsprung schon sicher glaubten, köpfte Klinsmann in der letzten Spielminute zum Ausgleich ein.

Das Publikum zeigte sich am Ende mit dem Gezeigten hochzufrieden und machte sich in aller Ruhe auf den Weg nach Hause oder ins Hotel. Mögliche Ausschreitungen von Fans und Hooligans ist ein Problem, auf das sich die WM-Organisatoren einstellen müssen. Doch mittlerweile haben nordamerikanische Städte ihre eigenen Erfahrungen mit Ausschreitungen nach Sportereignissen gemacht. Zu Krawallen kam es in Dallas, Texas, als die Footballspieler der „Dallas Cowboys“ nach dem Gewinn des Superbowl im Triumph durch die Stadt zogen und auch nach dem Stanley Cup- Gewinn der Eishockey-Canadiens gab es am Mittwoch Randale in Montreal.Doch bei diesem Fußball-Turnier geht es bislang friedlich und folkloristisch zu. Wer in einen der deutschen Fanblocks hineingeriet, sah vertraute, wohlgerundete Bäuche unter schwarz-rot- goldenen Trikots und vernahm Heimatklänge: „Klinsmann, du faule Sau, lauf' endlich!“ Gegen die Blaskapelle deutscher Provenienz trommelten brasilianische Rhythmus-Gruppen an – und die Einheimischen unter den 42.000 Zuschauern, darunter zahlreiche Immigranten aus Mittel-und Lateinamerika, verteilten ihre Sympathien recht gleichmäßig auf beide Teams. Wer ansonsten nur Bundesligastadien gewöhnt ist, hätte sich jedenfalls über die vielen Afro-Amerikaner in schwarz-rot-goldenen Shorts gewundert.

So spannend das Spiel in der Schlußphase war, die eigentliche Sensation hatte am Mittwoch im Stadion von Foxboro im US-Bundesstaat Massachussetts stattgefunden: Gastgeber USA schlug England, den vierten Konkurrenten um den „US-Cup 93“, mit 2:0. Bessere Werbung konnten sich die Organisatoren der WM 1994 gar nicht wünschen, zumal Siege über das einstige Mutterland eine besondere Süße haben. Außerdem ist damit eine Serie von Niederlagen beendet: Die letzten sechzehn Spiele gegen Nationalteams hatten die Spieler von Trainer Bora Milutinovic zuhause verloren. Neben den beiden Torschützen Alexi Lalas und Thomas Dooley, Sohn eines US-Soldaten und Spieler des 1.FC Kaiserslautern, beeindruckte vor allem Torhüter Tony Meola, der gegen Ende des Spiels den verzweifelt anstürmenden Engländern eine Torchance nach der anderen vermasselte. Den Amerikanern, die im Auftaktspiel mit 0:2 gegen Brasilien verloren, steht nun am Sonntag in Chicago die Begegnung gegen das deutsche Team bevor. England spielt am gleichen Tag in Washington gegen Brasilien. Das Stadion ist längst ausverkauft – kein schlechtes Zeichen für die WM 1994.

Für die Amerikaner gibt es übrigens eine Premiere besonderer Art: Zum ersten Mal wird ein Länderspiel der US-Mannschaft live im Fernsehen übertragen.

Brasilien: Taffarel - Julio Cesar - Valdeir (64. Almir), Santos - Jorginho, Luisinho, Dunga, Rai, Branco (82. Monato) - Careca, Elivelton (70. Cafu)

Zuschauer: 42.000; Tore: 0:1 Helmer (13./Eigentor), 0:2 Careca (32./Foulelfmeter), 0:3 Luisinho (39.), 1:3 Klinsmann (66.), 2:3 Möller (80.) 3:3 Klinsmann (90.)

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