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Aigner will "digitalen Radiergummi"Verfallsdatum per Firefox-Erweiterung

Ministerin Ilse Aigner hat die Software X-Pire vorgestellt - eine Erweiterung für den Browser Firefox. Sie soll dafür sorgen, dass Bilder ein "Verfallsdatum" bekommen.

Den Radiergummi für's Netz will Ilse Aigner. Bild: D. Sharon Pruitt – Lizenz: CC-BY

BERLIN dpa/taz | Ins Netz hochgeladene Privatfotos sollen nach dem Willen von Verbraucherschutzministerin Ilse Aigner mit Hilfe einer technischen Lösung ein Verfallsdatum bekommen. Damit könnten die Nutzer von Facebook und anderen Diensten "ein Stück weit die Möglichkeit erhalten, wieder mehr Selbstkontrolle zu bekommen", sagte Verbraucherschutzministerin Ilse Aigner (CSU) am Dienstag in Berlin.

"Ein Medium ist nur so gut, wie die Menschen auch Vertrauen in dieses Medium haben", sagte Aigner während der Expertenrunde mit Datenschützern, Branchenvertretern und Angehörigen der Netz-Community. Es müsse die Frage gestellt werden, ob es im Internet "ein Recht auf Vergessen" gebe.

Auf Einladung Aigners stellte der Saarbrücker Informatiker Michael Backes die Software X-pire vor, die Bilder nach einer bestimmten Zeit mit einer Art "digitalem Radiergummi" unsichtbar machen soll. Das Zusatzprogramm für den Internet-Browser Firefox werde nach Abschluss der Testphase voraussichtlich in der nächsten Woche fertiggestellt, sagte Backes. Bilder sollen verschlüsselt hochgeladen werden, beim Aufrufen einer Seite fragt der Browser beim Schlüssel-Server nach, ob das Verfallsdatum noch nicht abgelaufen ist.

Die Nutzung der Technik soll monatlich 9,90 Euro kosten oder es soll nach der Zahl der mit der Verschlüsselungstechnik bearbeiteten Fotos abgerechnet werden. Mit anderen Browsern als Firefox lässt sich die Technik bislang noch nicht nutzen, auch Nutzer von Smartphones – internetfähigen Mobiltelefonen – sind nicht berücksichtigt.

Michael Backes, Professor an der Universität des Saarlandes, räumte ein, dass die Lösung keinen Schutz gegen Screenshots (Bildschirmfotos) biete. Ohne eine solche "mutwillige Vervielfältigung" seien die Fotos aber nach Ablauf des Verfallsdatums "nicht mehr sichtbar und werden auch nicht sichtbar gemacht werden können".

Andy Müller-Maguhn vom Chaos Computer Club (CCC) stellte die Wirksamkeit der Software infrage, fügte aber hinzu: "Ich will damit nicht sagen, dass die Lösung gleich für die Tonne ist." Der Internet-Nutzer dürfe sich von solchen Angeboten nicht zu der Auffassung verleiten lassen, das Problem sei technisch gelöst, und sich dann unkritisch im Netz verhalten.

Der Bundesdatenschutzbeauftragte Peter Schaar sagte während der Veranstaltung im Verbraucherschutzministerium, technische Lösungen für den Schutz persönlicher Daten könnten einen Beitrag dafür leisten, dass der Einzelnen die Kontrolle über seine Daten im Internet habe. Nötig seien aber auch rechtliche Vorgaben des Gesetzgebers.

Mehrere Teilnehmer kritisierten zudem, dass amerikanische Internet-Dienste nicht bereit seien, sich nach den Datenschutzvorgaben in den Ländern der Nutzer zu richten. Schaar teilte mit, dass er dazu in etwa einem Jahr eine grundlegende Regelung der Europäischen Kommission erwarte.

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5 Kommentare

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  • JK
    Juergen K

    Aber die USA darf doch die Daten weiter abgreiffen , oder?

  • H
    Hafenpirat

    Könnte nicht wenigstens die TAZ es unterlassen, diese vollkommen absurde Bogusware/Vaporware ebenfalls hochzujubeln? Ein beliebiger Erstsemester erklärt Euch gerne warum.

     

    Innovativ und effektiv ist diese Software nur für den Mann, der die Abos zu 9,90€ vertickt... und sie jetzt so prima lanciert hat.

  • C
    Creature

    Liebe Leute, da versuchen Menschen im Namen des Datenschutzes miese Technologien ins Netz zu bringen und Profit zu schlagen. Das ist doch ganz klar Schund:

    1. DRM: Im Namen des Datenschutzes werden Technologien versucht zu etablieren, die es den Nutzer nicht mehr erlaubt, über standardisierte, offene Protokolle mit Anwendungen ihrer Wahl auf Daten zuzugreifen, die Offline-Kopien, Zitate u.ä. nicht mehr, bzw. nur noch über Screenshots und Abschreiben erlauben, die die Bürger an proprietäre, monopolistische Produkte binden, da die Verfahren geheimzuhalten sind.

    2. Weiterhin muss in einen zentralen Service vollends vertraut werden und die Daten werden nicht nur bei den Leuten landen, mit denen man zu tun hat, die größte Gefahr für die Daten bei Facebook ist doch Facebook selbst, und daran wird diese Technologie nichts ändern. Dezentrale Lösungen sind gefragt, bei denen die Daten bei den Leuten landen, für die sie wirlich gedacht sind. Und wenn der Freund das Bild dan kopiert – was solls, das geht in der realen Welt auch, wenn man dem Freund ein Foto-Album ausleiht.

    3. Warum zur Hölle will ich vorher ein „Verfallsdatum“ angeben? Ich lösche es halt, wenn ich es nicht mehr will, und hoffe dann, dass es weg ist. Mangelnde Kompetenz bei Frau Aigner.

    4. Es ist ein Glück, dass solche Technologien prinzipbedingt nicht wirken (Bildschirmfoto), der Versuch der immer weiteren Durchsetzung führt zur immer weiteren Überwachung. Doch schon solche umgehbaren Möglichkeiten machen viele Anwendungen und Konkurrenz unmöglich.

     

    Fazit: Es geht um Entmündigung, Macht und Geld. Klar, dass christliche Frau Aigner vorn mit dabei ist, wenn es heißt, zweifelhaften Unternehmungen zu helfen, die sich einer freien Informationsgesellschaft ativ entgegen stellen. Es sollen lieber ein paar Unternehmen alle Daten haben, als dass ein Freund mal etwas zu viel kopieren kann, die Unternehmen bringen das Geld, und die entmündigten Bürger müssen für den Nachschub sorgen und ausgebeutet werden anstatt Verantwortung zu übernehmen.

     

    Leider hat die Taz hier sehr unkritisch berichtet…

     

    Viele Grüße

  • K
    Klingelhella

    Da in diesem Artikel leider die technische Diskussion zur Software fehlt, sowie Textquellen, möchte ich auch nur ein allgemeingültiges Expertenstatement dazu abgeben:

     

    Es ist immer bedenklich wenn eine vermeintlich zuverlässige Technologie vorgestellt wird, auf die sich Nutzer dann verlassen. Eine solcherart zuverlässige Technologie kann im digitalen Raum nicht existieren, da digitale Daten quasi mit Nullaufwand vervielfältigt und in den allermeisten Fällen modifiziert werden können, ohne dass erkennbar ist, dass dies getan wurde.

     

    Die Idee vom Verfallsdatum von Bildern in allen Ehren, aber der Nutzer wird nicht drumherumkommen, sein eigenes Verhalten im virtuellen Raum zu überdenken und sich notfalls grundlegende technische Kenntnisse anzueignen. Dies ergibt eine wesentlich zuverlässigere Folgenabschätzung als die Benutzung eines Browser Plug-Ins.

  • K
    KFR

    Hintergrund und Kommentierung siehe z.B. :

     

    http://www.heise.de/security/artikel/Bitte-vergessen-1167720.html