: Aids in Kuba
■ HIV-Positive werden in einem Sanatorium kaserniert
Ich fragte meinen Kontaktmann im offiziellen Pressebüro, ob ich mit irgendjemandem über Aids in Kuba sprechen könne. Er hielt mich einige Tage hin und informierte mich dann darüber, daß keiner vom Gesundheitsministerium mit ausländischen Journalisten über Aids reden dürfe. Der Grund dafür sei, so gestand er mir, daß eine Ärztegruppe aus den Vereinigten Staaten nach ihrem Besuch der hiesigen Aidseinrichtung die Verhältnisse als „totalitär“ denunziert hatten: „Das ist natürlich Teil der ausländischen Lügenkampagne gegen uns“, bemerkte er.
Aber es stellte sich heraus, daß die Äußerungen der Kommission der Wahrheit entsprochen hatten; die Behandlung der Aidsproblematik durch die kubanische Regierung ist anscheinend ein schlagendes Beispiel für ihren Umgang mit den Rechten des Einzelnen insgesamt.
Die gesamte Bevölkerung wird zwangsgetestet, entweder am Arbeitsplatz oder im kommunalen Krankenhaus ihrer Wohngegend. Wer HIV-positiv ist, verliert sofort Arbeit und Wohnung und wird ins Aidssanatorium etwa 30 Kilometer südlich von Havanna gebracht. Die Klinik ist modern eingerichtet, jedoch durch hohe Drahtzäune rundherum abgeschirmt; Patienten dürfen nur selten an Wochenenden die Klinik verlassen, und auch nur, wenn ihre Familien die Verantwortung für sie übernehmen; in jedem Fall ist bei diesen Ausgängen ein Angestellter der Klinik zur Aufsicht dabei. Ein Arzt bestätigte mir, daß keiner wieder entlassen wird - selbst wenn sich Aids zunächst überhaupt noch nicht bei ihm entwickelt hat -, bevor nicht ein Mittel gegen Aids gefunden ist.
Dieser Mann war aufrichtig stolz auf die Arbeit, die das Sanatorium leistet, und auf die Hilfe, die den Patienten in psychischer und medizinischer Hinsicht gegeben würde; er wollte nicht einsehen, daß sich in diesem Zusammenhang etwa die Frage nach einer Beschränkung der Menschenrechte stellen könnte.
Auch hier also galt das Prinzip, daß der Einzelne den Preis für das Wohl der Allgemeinheit zu zahlen hat, und jeglicher Protest wurde zurückgewiesen als von Egoismus motiviert oder als politisch verdächtig. Aids, so die offizielle Haltung, kriegt man nur durch Kontakt mit Ausländern. Ohne solche Kontakte zu Ausländern kann es sich in Kuba nicht verbreiten, denn Drogenabhängige gibt es im Land angeblich ebenso wenig wie männliche oder weibliche Prostitution. Und da jeder, der sich dennoch irgendwie angesteckt hat, entdeckt und weggeschlossen wird, gibt es kein Aids-Problem in Kuba. Auszug aus einem Artikel von
Nick Castio
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen