piwik no script img

■ Radio-Tip„Aids als Metapher“

Ein Radio-Stück von Susan Sontag, Freitag, BR 2, 22.05 Uhr

Sie selbst findet sich „curious and reflective“. Qualitäten, die sich auch in Susan Sontags Arbeit spiegeln. Vielleicht war es auch besagte Neugierde, die der Autorin 1989 die Zustimmung zur Rundfunkbearbeitung ihres „Aids-Stückes“ entlockte. Gespannt fragt sich der Kenner von Sontags Ästhetik, wie sich ihr Text wohl in der „blinden“ Radiokunst macht. Wo sie doch lange Zeit das Sehen als vorrangige Sinneskunst betrachtete.

Nun, er macht sich hervorragend! Das Radio-Drama ist ja per se ein akustischer Spiegel für den Urtrieb des Menschen, zu palavern, zu tratschen und „auszuspionieren“. Nichts anderes tun die Freunde des an Aids erkrankten Robert. Sie stellen sich dar, wetteifern um seine Gunst und dennoch fügt unser lauschendes Ohr die Gesprächsschnipsel zum Bild einer unaussprechlichen Tragödie: der Bedrohung viel zu junger Menschen durch das Wort „positiv“. Im schwirrenden Sog der Gesprächsfetzen bleibt Robert, der Kranke, stumm. Beunruhigend, diese Leerstelle im Text, denn sie zieht uns an. Sie bildet das Auge des Hurrikan, um das banaler Egoismus, Trauer, Tratsch und Eitelkeiten wirbeln. Susan Sontag umkreist so in akustischen snapshots – mal durch Halbsätze verfremdet, mal realistisch als Szene-Smalltalk aufgespießt – den „Filmriß“ im Alltag. Die schwer faßbare Vorstellung, irgendwann nicht mehr zu sein. Daß uns dabei Klischees und Sentimentales erspart bleiben, ist nicht die kleinste Leistung dieses Hör- Stücks. Keine Frage: Den „Prix Futura“ 1991 hat es verdient.Gaby Hartel

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen