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AgrarfabrikenUnruhe im Hühnerland

Im Emsland kommen derzeit reihenweise Genehmigungsverfahren für Tiermastbetriebe zum Erliegen. Nachdem einige Dörfer sich juristisch wehren, steht die gesamte bisherige Genehmigungspraxis in Frage.

Hätten bei Feuer keine Chance auf Rettung: Masthühner im Emsland. Bild: dpa

Offiziell gibt es keine Maststall-Krise im Landkreis Emsland, und auch kein Genehmigungsmoratorium. Folgerichtig kann das Treffen, das Landrat Hermann Bröring (CDU) mit den zuständigen Abteilungsleitern der Kreisverwaltung anberaumt hat, auch nicht Krisentreffen heißen. "Es gibt kein Krisentreffen", sagt der Kreissprecher.

Gut, nennen wirs also Statusgespräch, auch wenn das eher nach unbeholfener PR einer Regionalverwaltung klingt, die abwiegelt - vielleicht, weil eine Maststall-Krise leicht nach Krise des Emslandes klingt: Nirgends in Deutschland ist die Konzentration an Geflügelmastplätzen ähnlich hoch, fast 33 Millionen sind genehmigt, rund 250 Millionen Stück Schlachtvieh produzieren sie pro Jahr. Eine gewaltige Lobby - da scheut man die Konfrontation, auch wenns die BürgerInnen freuen würde. Und sogar die ewigen Kritiker milde stimmt: "Ich begrüße, dass sich der Landkreis jetzt offenbar um eine gewissenhafte Prüfung der Anträge bemüht", sagt Eckehard Niemann von der Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft (ABL).

Denn dass sich etwas tut in der Frage, lässt sich an den amtlichen Bekanntmachungen in den Heimatzeitungen ablesen. Bislang hieß es: Antrag gestellt - Antrag genehmigt. Aber jetzt plötzlich kommt es zu Absagen: Der Erörterungstermin in Dersum, wegen des 2.700-Schweine-Stalls? Auf unbestimmt verschoben. Der Erörterungstermin in Wippingen, wegen der 42.000-Masthühner-Anlage? Storniert. Zuvor war der Antrag für 84.000 Hähnchen-Plätze in Bockhorst an den Urheber zurückgegeben worden (taz berichtete), und die Pläne für die Surwolder Geflügel-Fabrik wurden auf Eis gelegt. Dort sollten 300.000 Tiere gemästet werden.

Bestandserfassung

Wer Emsland sagt, meint Agrar-Industrie: Die hält die hübsche Gegend ganz im Westen fest im Griff. Die Kennzahlen des Landkreises:

32.420.000 Geflügelplätze

1.554.000 Schweineplätze

207.200 Rinderplätze

2,32 Millionen der Geflügelplätze sind dieses Jahr neu genehmigt worden, ebenso wie 44.600 Schweineplätze.

Eine Anlage für 300.000 Tiere - knapp 100 auf jeden Einwohner wären das gewesen. "Wir haben Riesenglück gehabt, dass bei uns jemand größenwahnsinnig geworden ist", sagt Hermann-Josef Schomakers, Sprecher der Bürgerinitiative Nordhümmling, die beide Fabriken - in Bockhorst und in Surwold - vorerst gestoppt hat. "Wenn da nur ein normaler Stall mit 40.000 Plätzen hin gesollt hätte", sagt Schomakers, "dann hätten wir das hingenommen". Man sei ja nicht gegen die Landwirtschaft.

Aber "ein Junggeselle aus dem Ort" wollte 16 Ställe bauen. Als Strohmann für einen niederländischen Investor. Das erleichtert die Gegenwehr. Man hat sich zusammengeschlossen mit denen aus Bockhorst, hat Expertise gesucht. Dem im Januar gegründeten Bündnis gegen Agrarfabriken gehören neben der ABL und dem Deutschen Tierschutzbund mittlerweile Naturschutzverbände, kirchliche Gruppen und mehr als 100 Bürgerinitiativen an. Und dann kamen die Erörterungstermine. Etwa der in Bockhorst. "Was da unser Anwalt gemacht hat, das war schon genial", sagt Schomakers. Seither stehen erhebliche rechtliche Bedenken im Raum: Ob derartige Anlagen überhaupt nach geltendem Recht genehmigungsfähig sind.

Peter Kremer heißt der Berliner Verwaltungsrechtler, und er hat den Antrag zerpflückt: Der Bau hätte gegen EU-Naturschutzrecht, die Straßenverkehrsordnung, das Tierschutzgesetz und Bauplanungsrecht verstoßen - "die Prüfung durch den Kreis", sagt Schomakers, "war gleich Null gewesen". Bei einer Angelegenheit, die für die Kreisverwaltung zur absoluten Routine zählen müsste: Allein 2010 sind 46 Geflügel- und 35 Schweinemast-Anträge bewilligt worden. "Der Landrat verfolgt bisher eine ,Wir müssen alles genehmigen'-Politik", sagt der grüne Kreistagsabgeordnete Nikolaus Schütte zur Wick. "Aber es gibt Möglichkeiten sich rechtlich zu wehren."

Und sei es mit der niedersächsischen Bauordnung. "Bauliche Anlagen müssen so angeordnet sein", heißt es da, "dass bei einem Brand die Rettung von Menschen und Tieren sowie wirksame Löscharbeiten möglich sind". Das gilt immer, wenigstens enthält das Gesetz "keine Ausnahmetatbestände, die auf Mastställe anwendbar wären", erläutert Kremer. Fluchtmöglichkeiten für die Tiere fehlten in den Bockhorster Plänen. Im Landkreis war das niemandem aufgefallen. "Rettungspläne für derartige Anlagen existieren nicht", räumt der Sprecher des Kreises mit fast 33 Millionen Hähnchenmastplätzen ein. Heißt: Wenn ein Stall brennt, verbrennen die Tiere. Wie sollte das in Massenbetrieben auch anders möglich sein?

"Dieser Aspekt" sei nun "erstmals aufgeworfen worden" und befinde sich deshalb "im grundsätzlichen Prüfungsverfahren", sagt der Kreissprecher. Denn es ist eine Frage der politischen Bewertung, ob man sich wirklich traut, die Bauordnung einzuhalten. Oder Mastställe weiterhin blindlings genehmigt.

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6 Kommentare

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  • A
    Antonietta

    Größer - schneller - billiger:

    Unter diesem Motto der Agrarindustrie leiden heute rund 150 Mill. Nutztiere in deutschen Ställen. Ob Schwein, Rind, oder Legehenne, ob Pute, Kaninchen oder Ente - sie werden verstümmelt, in enge Ställe oder Käfige gepfercht und mit Medikamenten vollgepumpt. Auf der Strecke bleiben nicht nur das Wohl der Tiere und ihre artgemäße Haltung, sondern auch Qualität, Geschmack und die gesundheitliche Unbedenklichkeit der Produkte.

  • EP
    Elisabeth Petras

    Stimmt, es sind keine Masthühner, die man auch "Hähnchen" nennt, doch deren Haltungsbedingungenmti 35-45 kg/m2 in drangvoller Enge, daraus resultierender Hitze, Bewegugnsarmt, daher und wegen massiver überzüchtugn Beinschwäche, Herz-Kreislaufschäden, häufig Zusammenbrüche, Brustblasen, Skelettdeformationen,Fußentzündugen, Fußschäden, ein Teil der Tiere erreicht das Wasser nicht mehr und verdurstet gar, das Leiden der Elterntiere, die man hungern lässt, weil sie sich der Qualzucht wegen nicht einmal mehr paaren könnten und ebensolche krankheiten bekämen wie ihre Kinder, die dann aber zum Tode führten...

     

    Salmonellen sind weniger geworden - dafür aber haben etliche resistente Stämme Einzug gehalten, wie Studien belegen. Denen ist dann mit gar nichts mehr beizukommen. Bei Puten sind es eher Campylobakter, die auch immer öfter in resistenter Form auftreten udn shcon die Salmonellen verdrängen - erst beim Tier, dann am Menschen - eine Küche ist nun mal kein Labor...

     

    Auch Viren mutieren leichter in solchen Ställen. da ein schneller Writwechsel möglich ist.

     

    Leckeres Geflügel?

  • EW
    Eckard Wendt, AGfaN e.V.

    Die zugrundeliegende Denke ist ganz simpel gestrickt:

    Es sind ja nur Tiere, nein, es sind sogar nur Produktionseinheiten. Im Schadensfall zahlt die Versicherung ... und sei es im Seuchenfall die Tierseuchenkasse, in die die Hühner- und Schweinebarone nur 50% einzahlen; die anderen 50% zahlten die SteuerbürgerInnen über den Landeshaushalt.

    Bislang kuschten die Verwaltungen und die Ratsmitglieder. Das ist umso erstaunlicher, als ein Blick über die Grenze in die Niederlande Erkenntnisse liefern könnte. Warum kommen denn die Investoren von dort zu uns? Sie haben dort das Grundwasser schon lange gründlichst versaut! Sie erhielten Stillegungsprämien, die ihnen die Landesflucht erleichterten ... und jetzt treiben sie bei uns ihr Unwesen. Dabei werden sie durch die hiesigen Magnaten der Agrarindustrie schamlos argumentativ unterstützt. Gleichgültig ob Ausländer oder einheimische quasi-Lohnmäster: Sie erhalten alle satte Zuschgüsse, die in der Regel bei 40% der baukosten betragen. Wer wollte da nicht zugreifen.

    Würde man die Unsinnssubventionen auf die Lebensmittelpreise aufschlagen, wären wir schon mal bei etwa 20% des Nettoeinkommens, die für Ernährung aufzubringen wären. Der Verbraucher zahlt direkt aber nur gut 10% ... und wirft leichtfertig Lebensmittel fort, weils ja fast nichts kostet.

    Es ist zum Kotzen!

  • E
    emslaender

    wurde auch langsam mal zeit...

    übrigens, auf dem foto sind keine masthähnchen sondern legehennen zu sehen, masthähnchen werden meistens überhaupt nicht so alt dass sie ein vollentwickeltes federkleid zeigen. außerdem werden sie meistens nicht in käfigen gehalten sondern "freilaufend" da sie so einfacher zu fangen sind

  • V
    vic

    Es ist den Einwohnern der umliegenden Gemeinden doch völlig egal ob Tiere leiden.

    Hier dreht sich alles nur um Geruchsbelästigung und sinkende Immobilienpreise.

    Kein Atomfreund will ein AKW oder Endlager(versuch) in seiner Nähe haben, und Fleischesser eben keine Betriebe der Tierverwertungskette.

    Dieser bürgerliche Protest stinkt und ist trotzdem hilfreich.

  • V
    Vögo

    An diesen Zuchtanlagen sind die geizigen Deutschen zum Glück selbst Schuld. Wer ekelerregendes Quälfleisch kauft und frisst, muss auch mit den Mästereien klar kommen. Im Prinzip sollte jeder, der ein Quältier frisst, zumindest gezwungen werden einmal durch den Zuchtbetrieb zu gehen, um die entsetzlichen Zustände zu begutachten, die sein Geiz verursachen.