Nachgefragt: „Agonie der Kammer“
■ DGB-Chefin gegen DGB-Fraktion
In der Angestelltenkammer spitzt sich der Konflikt innerhalb der DGB-Fraktion weiter zu. Helga Ziegert ist Vorstandsmitglied der Kammer und Vorsitzende des Bremer DGB.
taz: Die Verhandlungsdelegationen von DAG und DGB haben versucht, den Dauerstreit in der Angestelltenkammer mit einem Kompromißpapier beizulegen. Warum wollen Sie sich nicht daran beteiligen?
Helga Ziegert: Es gab keine Verhandlungsdelegation des DGB. Ich nehme an, daß Irmtrud Gläser und Wilfried Segebade mit der DAG gesprochen haben. Das Kompromißpapier kenne ich nicht. Und ich sehe das Problem der Angestelltenkammer nicht in dem Streit mit der DAG.
Es gab gar kein Mandat der DGB-Fraktion, mit der DAG zu verhandeln?
Es ist in der Fraktionssitzung darüber gesprochen worden, daß der DAG nicht bedingungslos Sitze im Vorstand angeboten werden sollen und daß Frau Gläser und Herr Segebade mit der DAG Gespräche führen sollten. Aber ich bin sehr überrascht gewesen, nun zu erfahren, daß sie auch schon ein Papier ausgehandelt haben. Das ist bisher weder der Fraktion noch dem Vorstand vorgelegt worden.
Gläser und Segebade sind inzwischen zurückgetreten. Warum machen Sie den Weg zu einem Neuanfang nicht auch mit ihrem Rücktritt frei?
Im Prinzip ist der Vorstand für sechs Jahre gewählt worden. Und im Prinzip gibt es keinen Grund für den Vorstand, insgesamt zurückzutreten. Bevor wir uns mit der DAG über eine gemeinsame Vorstandsbesetzung verständigen, müssen wir ja erstmal klären, mit welchen Bedingungen, Zielen, Zwecken und Inhalten der Vorstand neu besetzt werden soll.
Das ist doch Inhalt des zehnseitigen Kompromißpapiers.
Wir müssen aber erstmal gucken, ob eine Neubesetzung mit der DAG ein wirklicher Neuanfang wird.
Sie haben Ihren Rücktritt an die Bedingung geknüpft, daß die DAG der Zusammenlegung von Angestellten- und Arbeiterkammer zustimmt. Das wird sie natürlich nie und nimmer tun.
Das sehe ich nicht so.
Die DAG könnte doch nie wieder die Mehrheit in der gemeinsamen Kammer bekommen.
In der Angestelltenkammer hat sie die beiden letzten Wahlen auch verloren. Aber unabhängig davon müßte doch auch der DAG klar sein, daß es mit den Kammern so nicht mehr weitergeht. Wir brauchen eine Neustrukturierung der Selbstverwaltung und keine Verlängerung der Agonie der Angestelltenkammer durch Umbesetzungen im Vorstand.
Es gibt aber einen Beschluß der Vollversammlung der Angestelltenkammer, über die Zusammenlegung bis 1999 nicht weiter zu sprechen.
Da gibt es eine Koalition zwischen Teilen der DGB-Fraktion und der DAG, eine Zusammenlegung zu vermeiden. Aber die getrennten Kammern für Arbeiter und Angestellte haben sich überholt. Da könnten wir heutzutage eher eine Männer- und eine Frauenkammer machen.
Wie wollen Sie die Spaltung innerhalb des DGB überwinden?
Innerhalb des DGB gibt es keine Spaltung. Es gibt nur eine Auseinandersetzung zwischen dem DGB und Funktionsträgern. Und das haben wir ziemlich häufig. Ich setze noch darauf, daß Funktionsträger vernünftigen Argumenten zugänglich sind und die Funktion in ihrem liebgewordenen Gremium nicht über alles stellen.
Muß für die vom Rechnungshof bemängelten Entscheidungen der Kammer nicht der Geschäftsführer Fehrmann die Verantwortung übernehmen?
Das ist sicher in ganz starkem Maße eine Frage der Geschäftsführung der Kammer.
Es könnte auf eine Kündigung hinauslaufen?
Das könnte sein. Ase
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