Afrohesse kennt den Untergrund: Bitte vergesst Bushido!
Wer Rap aus dem Untergrund mag, sollte sich Afrohesse anhören - aber schnell, er wird bald abgeschoben.
Wenn Rapper vom Untergrund reimen, handelt es sich meist nur um Ghettofeeling pubertierender Jugendlicher. Für Afrohesse, der in den Medien nur mit seinem Künstlernamen genannt werden will, hingegen war der Untergrund für mehr als 12 Jahre sein reales Leben.
Der aus Algerien stammende Künstler sollte 1997 mit seiner Familie aus Deutschland ausgewiesen werden. Die Familie fand zunächst in einer Kirche, später bei einer befreundeten Familie Asyl. Seitdem lebte Afrohesse ohne gültige Papiere in Frankreich und Deutschland. Auch seine beiden CDs "Der verborgene Immigrant" und "Mehr als Musik" sind im Untergrund entstanden. Das Leben mit der Angst vor einer Passkontrolle war ein zentrales Thema seiner Lieder.
Am 2. August 2008 war es für Afrohesse dann so weit. In der Nähe einer Berliner Diskothek wurde er festgenommen. Zunächst saß er in der JVA-Moabit in Untersuchungshaft. Wegen des illegalen Aufenthalts wurde er zu einer Haftstrafe von 6 Monaten verurteilt, die zur Bewährung ausgesetzt wurden. Danach musste er mehrere Wochen in Berlin-Grünau in Abschiebehaft verbringen. Ein Abschiebetermin stand schon fest. Doch am 16. Oktober wurde er freigelassen, nachdem sich das bündnisgrüne Mitglied im Berliner Abgeordnetenhaus, Benedikt Lux, an den zuständigen Petitionsausschuss des hessischen Landtags gewandt hatte.
Ausreisen soll der Musiker weiterhin, jetzt allerdings ohne die BGS-Begleitung. Dabei hat Afrohesse keinerlei Verbindung mehr zu seiner Heimat. Schließlich leben fast alle seine Verwandten mittlerweile mit einem sicheren Aufenthaltsstatus in Deutschland. Der wird Afrohesse wegen einer Jugendstrafe vor fast zehn Jahren verwehrt.
Ein Solidaritätskreis, zu dem auch viele Rapper gehören, setzt sich weiter für seine Aufenthaltsgenehmigung ein. Afrohesse betont allerdings, dass man die namenlosen Abschiebehäftlinge, die er in den letzten Wochen kennen lernte, nicht vergessen soll. Viele würden wegen mangelnder Sprachkenntnisse oft das bürokratische Prozedere, das mit ihnen geschieht, nicht verstehen.
Afrohesse, der fünf Sprachen beherrscht, hat im Gefängnis Dolmetscherdienste zwischen den Häftlingen und den Behörden geleistet. Nach seiner Freilassung kann er diese Dolmetscherdienste auf andere Art fortsetzen, indem er auf seiner nächsten CD einer weitgehend gleichgültigen Gesellschaft eine Ahnung vom Leben im Abschiebegefängnis vermittelt.
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