Afrodeutsche Geschichte: Einfach weiterspielen

Das English Theatre in Berlin erzählt mit dem Stück „Schwarz gemacht“ von einem afrodeutschen Schauspieler in der NS-Zeit.

Der Dramatiker Alexander Thomas und der Regisseur Daniel Brunet haben das Stück „Schwarz gemacht“ entwickelt Bild: Stefan Boness/Ipon

Deutsch sein und schwarz dazu ist keine Selbstverständlichkeit. Doch wie es gewesen sein muss, als Afrodeutscher im Nationalsozialismus zu leben, der sich über eine arische „Herrenrasse“ definierte, ist kaum vorstellbar. Dass dieses Kapitel im kollektiven Gedächtnis nur wenig verankert ist, liegt auch daran, dass bisher kaum jemand davon erzählt hat.

Das beschäftige auch den US-Amerikaner Alexander Thomas, Autor des Theaterstücks „Schwarz gemacht“, das am 26. Februar am „English Theatre Berlin“ uraufgeführt wird. Es spielt 1938 in Berlin. Protagonist ist der Afrodeutsche Klaus, der als Schauspieler in Nazi-Propagandafilmen mitwirkt.

Die Begegnung mit einem afro-amerikanischen Musiker führt schließlich zu einer Auseinandersetzung mit der eigenen ambivalenten Identität. „Das Thema schrie danach, auf die Bühne gebracht zu werden“, sagte Thomas, der zusammen mit Daniel Brunet, dem aus New York stammenden Regisseur des Stücks, kurz nach einer Probe ins Foyer des Theaters kam. Brunet sieht in der Realisierung von „Schwarz gemacht“ einen gesellschaftlichen Auftrag.

Auslöser Blackfacing-Debatte

Anstoß war die Kontroverse um die Darstellung ethnischer Identität in den Stücken „Ich bin nicht Rappaport“ und „Unschuld“, die er 2012 in Berlin mitverfolgte. Darin hatten sich weiße Darsteller mit schwarzer Farbe angemalt, eine Praxis, die auch als „Blackfacing“ bekannt ist und von der Organisation Bühnenwatch heftig kritisiert wurde. Angesichts dieser hitzigen Debatte war Brunet sofort klar, dass der Stoff nicht nur historisch bedeutend ist.

Denn die ethnische Vielfalt, die in Deutschland inzwischen eine lange Geschichte hat, sei auf deutschen Bühnen immer noch nicht präsent. Der Protagonist Klaus ist eine Komposition aus diversen realen Biografien. Neben dem deutschen Schauspieler Louis Brody, bekannt aus dem antisemitischen Propagandafilm „Jud Süß“, floss die Lebensgeschichte von Theodor Michael ein, der in seinem Buch „Deutsch sein und schwarz dazu“ von seinen Erlebnissen als afrodeutscher Schauspieler in der NS-Zeit erzählt (siehe taz, 30. 1. 2014). Etwa, wie er ständig von Fremden angefasst wurde, die nachsehen wollen, ob er „echt“ sei, und wie es war, als „menschliche Dekoration“ in Nazi-Propagandafilmen rassistische Stereotype zu bedienen.

Apartheid in den USA

Die ständige Diskriminierung und Repression von Schwarzen fand nicht nur im Dritten Reich statt. Auch in den USA herrschte 1938 strenge Apartheid. „Zwischen der Abschaffung der Sklaverei 1865 und dem Anfang der sogenannten Bürgerrechtsbewegung vergingen 100 Jahre“, sagt Brunet. Der Vergleich zwischen dem NS-Regime und den USA sei ein roter Faden des Stücks.

Die Strategie, mit der die Bühnenfigur Klaus seinen Alltag bestreitet, erinnert dabei an die innere Emigration deutscher Intellektueller. Willkürliche Gewalt und Repression, die er erfährt, kanalisiert er damit, einfach weiterzuschauspielern. Auch in der Realität war die Filmbranche eine der wenigen Möglichkeiten, nicht wie viele andere Afrodeutsche in einem KZ getötet zu werden.

Deutschland zu hassen wäre Klaus nicht in den Sinn gekommen. Im Gegenteil, er ist Patriot. „Stolz auf sein Land und froh, in den Filmen sein Heimatland repräsentieren zu können“, sagt Brunet über ihre Figur und kommt auf die zentrale Frage des Stücks zu sprechen, ob Identität von der Heimat oder der Herkunft bestimmt ist. Für Klaus ist die Sache klar.

Fremdperspektive und Identität

Vor diesem Hintergrund entstand auch der Titel. „Je schwärzer Klaus gemacht wird, desto mehr betont er sein Deutschsein“, erklärt Brunet. Eine nur auf den ersten Blick absurde Dialektik. Denn viele schwarze Künstler, seien es US-Jazzmusiker oder aus den deutschen Kolonien stammende Schauspieler im Dritten Reich, wurden ausschließlich über ihr Anderssein definiert. Mit dem Effekt, sich selbst bald nur noch über die rassistische Fremdperspektive wahrzunehmen.

Eine Perspektive, die nach Brunet auch heute noch existiert: „Während der Wahl in den USA 2008 wurde kaum über Obamas Politik gesprochen, sondern immer nur über seine Hautfarbe. Als er dann Präsident war, klopften sich plötzlich alle selbst auf die Schulter und sagten: ’Super, jetzt sind wir nicht mehr rassistisch.‘“

Auch Deutschland hat nach wie vor ein Rassismusproblem. Ob auf struktureller Ebene wie beim „racial profiling“ oder im Alltag. So schildert der deutsche Schriftsteller Marius Jung in seinem aktuellen Buch, wie Leute ihre Wertgegenstände in Sicherheit bringen, als er sich ihnen näherte. Aktueller könnte „Schwarz gemacht“ nicht sein. Denn es zeigt, dass es in einer globalisierten Welt an der Zeit ist, die Kategorie der Herkunft endlich zu überwinden.

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