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Afrobeat-Sängerin Mariana Da CruzDie Gegenwart lässt auf sich warten

„Eco do Futuro“, das neue Album der brasilianisch-schweizerischen Band Da Cruz, porträtiert Brasilien als Land, das sein Lächeln verliert.

Mariana Da Cruz beschreibt ihre Band als „Kollision diverser auf den ersten Blick unvereinbarer Elemente“ Foto: Boom Jah

Es ist ein entlarvendes Foto: Ein adrettes weißes Ehepaar mit Hündchen an der Leine auf einer Demo in Rio de Janeiro gegen die im Frühjahr 2016 noch regierende Arbeiterpartei PT; hinter den beiden läuft ihr schwarzes Hausmädchen, wie schon zu Zeiten der Sklaverei ganz in Weiß gekleidet, und schiebt den Nachwuchs im Kinderwagen. Das Bild ging in den sozialen Medien viral und zeigt, wer da gegen die Partido dos Trabalhadores durch die Straßen zog: das wohlhabende Bürgertum und die alten Eliten des Landes. Ärmere Brasilianer wie die Hausangestellten hatten dagegen von der Politik der PT profitiert.

Die Sängerin Mariana Da Cruz stammt aus solch einer armen Familie. Als sechstes Kind eines Kochs und einer Baumwollpflückerin wuchs die Afrobrasilianerin in einfachen Verhältnissen in einem Vorort São Paulos auf. Nach der Arbeit als Verkäuferin besuchte sie die Abendschule, konnte studieren und wurde Lehrerin. Doch sie wollte die Welt sehen, landete in Lissabon, wo sie in einem Irish Pub kellnerte und sang, bis sie eines Tages den Schweizer Musiker und Journalisten Ane Hebeisen kennenlernte. Seit 2005 bilden die beiden vom schweizerischen Bern aus die Band Da Cruz.

Auf ihrem neuen, bislang fünften Album „Eco do Futuro“ („Echo der Zukunft“) setzt die Sängerin mit dem imposanten Afro und der markanten Zahnlücke ihren kritischen Diskurs über die gesellschaftliche Lage Brasiliens fort („Babilonia SP“, „Nossa Maneira“), spürt dem erstarkenden Rassismus und ihren afrikanischen Wurzeln nach („Negra Sim“). Bisweilen singt sie einfach über Liebe, wie im Reggae „Numéro Um“, und sinniert im nervösen „Centro do Mundo“ über die Folgen von Trennungen in diesen widrigen Zeiten.

Lässig getrommelt

Stilistisch bedient sich die inzwischen zu einem Sextett inklusive Bläsersektion angewachsene Band häufig bei den verschiedenen Spielarten von Global Ghetto Tech. In „Nossa Maneira“ ist es etwa ein südafrikanischer Kwaito-Riddim, der mit einer Italo-Western-Gitarre und Saxofon angereichert wird. Kwaito oder Baile Funk einfach nachzuspielen, „das hätte uns gelangweilt“, sagt Da-Cruz-Produzent Ane Hebeisen.

So wie es begonnen hat, endet das Album, mit einem treibenden Afrobeat

Zwischendurch wird es immer wieder dubby, und gleich zum Einstieg gibt es mit „Pais do Futuro“ („Land der Zukunft“) einen treibenden Afrobeat, lässig getrommelt vom nigerianischen Meister Tony Allen. Darin greift Da Cruz die Worte Stefan Zweigs auf, um ihrer Desillusionierung Ausdruck zu verleihen: „Mein Brasilien, das Land der Zukunft. Bloß die Gegenwart lässt wieder einmal auf sich warten.“

„Eco do Futuro“, das wie die Vorgänger beim eigenen Label Boom Jah Records veröffentlicht wird, ist ein durchaus funkiges Album. Es klingt oft kämpferisch und zornig, manchmal auch schwermütig – so ähnlich wie die Stimmungslage in Brasilien, das gerade zwischen Resignation und Aufruhr schwankt, regiert von alten privilegierten weißen Männern, einem Horrorkabinett der Scheinheiligen, die Gott und die Familie anrufen, während sie sich weiter schamlos bereichern. Brasilien sei gerade dabei, „sein Lächeln zu verlieren“, sagt Mariana Da Cruz. „Das ist ein Prozess, der mich ungemein schmerzt.“

Das Album

Da Cruz: „Eco do Futuro“ (Boom Jah Records/Broken Silence). Live: 5. Januar „Spitalkeller“ Offenburg, 3. Februar „Milla“ München.

Die Sängerin, die auch schon als brasilianische Antwort auf M.I.A. bezeichnet wurde, beschreibt die afrobrasilianisch inspirierte Bassmusik ihrer Band als „Kollision diverser auf den ersten Blick unvereinbarer Elemente“. Während sie bereits im Kirchenchor sang und von traditioneller Musik wie Bossa Nova und MPB geprägt wurde, stand ihr Partner, Produzent Ane H, früher bei den Schweizer Electro-Industrial-Pionieren Swamp Terrorists am Mikrofon. Was zusammen eine Mischung ergibt, die manchmal an den eigenwilligen Brasil-Pop Marissa Montes erinnert.

Und so wie es begonnen hat, endet das Album, mit einem treibenden Afrobeat: Auf „Pobre Mentality“ beschwört Mariana Da Cruz die Kraft der Tambores, der mächtigen Trommeln der Sklaven. Ihr Klang kann böse Geister vertreiben – und hilft hoffentlich dabei, Brasilien aus seiner Vergangenheit zu befreien.

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