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Afrikas Fiasko

■ Der ökonomische Niedergang hält an / Harsche Kritik der Weltbank

Nairobi (dpa/taz) - Für Afrika waren die 80er Jahre nach allgemeiner Auffassung ein „verlorenes Jahrzehnt“, und wenn sich nichts Entscheidendes ändert, könnten die 90er Jahre den schwarzen Kontinent noch weiter zurückwerfen. Dreißig Jahre nach der Unabhängigkeit ist der Durchschnittsafrikaner heute so arm wie 1960 - mit dem Unterschied, daß er die Illusion verloren hat, mit der Selbständigkeit werde alles besser.

Hungerkatastrophen, früher eine Ausnahme, gehören heute fast schon zum Alltag. Südlich der Sahara ist jeder vierte, insgesamt sind weit über 100 Millionen Menschen permanent vom Hunger bedroht. Die Agrarproduktion ist seit 1970 jährlich um weniger als 1,5 Prozent gestiegen und lag damit weit unter dem Bevölkerungswachstum von über drei Prozent. Die Wirtschaftskraft pro Kopf schrumpfte in den 80ern um jährlich 2,6 Prozent. Dieser riesige Raum mit seinen 450 Millionen Menschen hatte 1987 ein Bruttoinlandsprodukt, das gerade so groß war wie das Belgiens mit zehn Millionen Einwohnern.

Die Katastrophe hat interne wie externe Ursachen. In ihrem Bemühen, alles besser zu machen als die verhaßten Kolonialisten, haben die afrikanischen Regierungen seit der Entkolonialisierung große Fehler gemacht: Vernachlässigung der Landwirtschaft, kostspielige Industrialisierung, wozu die Voraussetzungen fehlten, kostenlose Erziehung und Gesundheitsfürsorge, Subventionen von Grundnahrungsmitteln und Energie, aufgeblähte Staatsapparate, unwirtschaftliche und damit ständig defizitäre Staatsbetriebe lauten die Stichworte. Aber auch vom Weltmarkt kam Druck. Vor allem nahmen die afrikanischen Regierungen in den 70er Jahren, als mit der Ölpreis-Explosion tiefgreifende Zahlungsbilanzprobleme auftraten, hohe Auslandskredite auf, die ihnen skrupellose Banken auf der Suche nach Anlagemöglichkeiten für Petrodollars aufdrängten. Heute stecken sie, gemessen an ihrer Wirtschaftskraft, ärger in der Schuldenfalle als andere Drittweltländer. Schwarzafrikas Schulden sind mit 135 Milliarden Dollar genauso hoch wie das Bruttoinlandsprodukt, während sie etwa in Lateinamerika nur 60 Prozent des BIP ausmachen. Ein Ende der Schuldenkrise ist kaum abzusehen.

Soll Afrika nicht weiter absinken, müssen nach Ansicht der Weltbank die Volkswirtschaften jährlich um mindestens vier bis fünf Prozent wachsen. Das gilt besonders für die Landwirtschaft. Daneben muß die rasche Bevölkerungszunahme eingedämmt werden. Zwar ist Afrika noch lange nicht überbevölkert. Aber eine Verdoppelung der Bevölkerung alle 21 Jahre überfordert einfach die Infrastruktur. In einer kürzlich veröffentlichten gründlichen Studie, die eine Bilanz der letzten 30 Jahre in Afrika zieht und einen Ausblick auf die nächsten 30 Jahre zu geben versucht, bricht die Weltbank mit dem bislang üblichen vornehmen Schweigen und macht den Afrikanern harsche Vorwürfe: Aufgeblähte, schlecht geführte Bürokratien belasteten den produktiven Sektor, viele Regierungen seien durch Korruption zersetzt und hätten das Vertrauen der Bevölkerungen verloren. Preisverzerrungen, überhöhte Wechselkurse und Subventionen begünstigten den Import, statt die eigene Produktion zu fördern. Ein bürokratischer Dschungel und die Schwierigkeit, Gewinne zu transferieren, schreckten ausländische Investoren ab. Die Botschaft ist eindeutig: Der Staat sollte nicht dirigistisch eingreifen und selbst als Unternehmer auftreten, sondern die Rahmenbedingungen schaffen, in denen sich privates Unternehmertum entfalten kann. Entwicklung darf der Weltbank zufolge nicht länger von oben verordnet werden. Sie müsse von unten wachsen, durch politisches Mitspracherecht der Völker, durch Freisetzen ihrer Energien in einem Umfeld, in dem es sich lohne, hart zu arbeiten und zu sparen.

Natürlich ist auch die Weltbank für weitere Finanzhilfen. Die öffentliche Entwicklungshilfe sollte jährlich mindestens 22 Milliarden Dollar betragen und der Schuldendienst auf neun Milliarden Dollar begrenzt werden. Schuldenerleichterungen und -streichungen müssen fortgeführt werden. Ohne Drohungen kommt die Weltbank allerdings nicht aus. Die Geber könnten müde werden, so heißt es, wenn Afrika auf ewig abhängig zu bleiben droht, wenn fremde Gelder für Kriegsspielzeug und Luxuskonsum ausgegeben werden oder auf Schweizer Nummernkonten landen.

zau

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