Afrikanische Kunst in Basel: Monet als überflüssige Dreingabe

Die Ausstellung "Bildwelten - Afrika, Ozeanien und die Moderne" in Basel beweist, dass afrikanische und ozeanische Werke zum Welterbe der Kunst gehören, auch wenn ihre Schöpfer namenlos bleiben.

Übertriebene Formen: Hat sich Picasso da was abgeschaut? Bild: ap

An die Glasfront des 1997 eröffneten Museums Fondation Beyeler in Basel-Riehen grenzt ein Seerosenteich, extra angelegt, um das neun Meter breite Seerosen-Triptychon von Monet zu doppeln. Das Mammutgemälde wurde nun für die große Sonderausstellung "Bildwelten - Afrika, Ozeanien und die Moderne" ins Foyer geholt, um den Hintergrund für zwei prächtig geschnitzte Kultkrokodile von je sieben Meter Länge abzugeben. Die Fantasie müht sich, die Viecher vom Korewori-Fluss gedanklich in den Teich von Giverny zu bugsieren, der Blick geht hin und her und würdigt am Ende weder die Farbsymphonie Monets noch die herrlichen Holzskulpturen gebührend.

Auch die Kombination der doppelgesichtigen, über 4 Meter hohen Schlitztrommel aus Vanuatu mit der gemalten Kathedrale von Rouen macht wenig Sinn. Ebenfalls rätselhaft, warum die grandiosen Figuren der Senufo aus der Elfenbeinküste mit ihren glattpolierten Leibern vor Madame Cézanne gruppiert sind. Gewiss, die aufstrebenden oder runden Formen entsprechen sich entfernt, doch es tut weh, wenn nebenan die berühmten Fliegenden Fische aus Malagan, Schnitzwerke von fast barocker Anmutung, mit einem Mondrian-Gemälde garniert werden.

Kurator Oliver Wick wollte die magische Ausstrahlung der Exponate aus Afrika und Ozeanien noch weiter steigern, indem er sie mit ausgewählten Gemälden aus der Sammlung Beyeler konfrontierte, um Entsprechungen oder Dissonanzen zu schaffen. Aber wie so manche schöne Idee scheitert auch diese an ihrer Realisierung. Man fragt sich, ob die berühmten Namen nicht auch die Attraktivität der Ausstellung steigern sollten. Immerhin treten noch Picasso, Matisse, Klee, Kandinsky, Rothko und andere Publikumsmagneten auf. Wie auch immer, die präsentierten afrikanischen und ozeanischen Spitzenwerke hätten keiner westlichen Sahnehäubchen bedurft, sie gehören gleichrangig zum Welterbe der Kunst, auch wenn ihre Schöpfer namenlos blieben.

Was eine Konfrontation sinnvoll gemacht hätte, wollte Oliver Wick ausdrücklich nicht: Er wollte nicht noch einmal beweisen, dass der Aufbruch in die europäische Moderne durch die außereuropäische Kunst beflügelt und stilistisch geprägt wurde. Und zwar nicht nur durch den japanischen Farbholzschnitt, sondern vor allem durch die "primitiven" Objekte aus den Kolonien. So wie es William Rubin 1984 schlüssig bewiesen hatte, allerdings weit weg, im Museum of Modern Art.

1906 gilt als Schlüsseljahr für diese künstlerische Revolution, die von Paris ausging. Die Legende will, dass Matisse auf dem Weg zu Gertrude Stein für wenige Francs ein "Negerobjekt" kaufte. Der ebenfalls eingeladene Picasso war elektrisiert von den strengen, das Wesentliche überbetonenden Proportionen, die den akademischen Schönheitsbegriff und die traditionellen Sehgewohnheiten negierten. Die Suche der Avantgarde nach neuen Horizonten hatte eine Richtung gefunden. Ohne Afrika also keine "Demoiselles dAvignon", keine oder eine andere Klassische Moderne.

Glücklicherweise dominieren die sechs afrikanischen und sieben ozeanischen Werkgruppen die Ausstellung in Basel-Riehen. "Schließlich soll das Hauptaugenmerk auf ihnen liegen", so Oliver Wick. Da die Globalisierung die Museen bisher allenfalls gestreift hat, bietet sich damit die seltene Möglichkeit, wieder einmal über den europäischen Tellerrand zu blicken. Zum Ereignis wird die Ausstellung auch durch die exquisite Qualität der Schnitzwerke von oft beträchtlicher Größe.

Zwangsläufig werden sie durch ihre Zurschaustellung zu reinen Kunstwerken, also auf ihre Ästhetik reduziert, während sie an ihren Ursprungsorten rituellen Zwecken dienten und damit in einem sozialen Kontext standen. Ihre Bündelung nach Regionen macht sehr schön deutlich, dass sich die Schnitzer nach traditionellen Vorgaben richten mussten, diese aber äußerst fantasiereich variierten. Künstlerpersönlichkeiten waren also am Werk.

Neben dieser bildhauerischen Fantasie im Umgang mit dem Raum ist den Figuren ein hohes Maß an Abstraktion gemeinsam. Da stehen die Reiter, Musiker, Mutter-mit-Kind-Figuren, Hirsestampferinnen und Wasserträgerinnen der Dogon aus Mali, einige über 800 Jahre alt. Da sind die Werke der Mumuye, erkennbar am überlangen Rumpf, an den akzentuierten Ellenbogen und großen Schlappohren, die bei den Frauen durchbrochen sind. Auch die Senufo fallen durch ihre überlangen, fast abstrakten Körper und Arme auf. Die eher gedrungenen Fang-Skulpturen haben riesige hervorstehende Bauchnabel, die ihre Verbindung mit der Schöpfung symbolisieren. Eine unheimliche Aura verbreiten die Nagelmenschen der Nkisi aus dem Kongo, denn, anders als bei Günther Uecker, bilden ihre Nägel ein kraftstrotzendes Chaos.

Die Ästhetik der Werke aus Ozeanien ist graziöser. Eine Ausnahme bilden die bemalten Uli-Figuren mit großen Penissen, die durch ihr kriegerisches Gebaren furchteinflößend wirken. Nur 250 sind insgesamt bekannt, von denen immerhin 10 ausgestellt werden. Eine melanesische Region ist auf die Darstellung der Rippen und des Bauchraumes spezialisiert. Die Skulpturen der Mundugumor tragen Lendenschurz und blicken grimmig aus Kaurimuschel-Augen, Margaret Mead identifizierte sie als Waldgeister. Andere Ethnien der fernen Archipele fertigten ihre Masken aus Schildpatt. Die großen Malagan-Schnitzwerke aus weichem Holz sind mit Erdfarben bemalt.

Mehrere tausend dieser Malagan-Arbeiten befinden sich in westlichen Sammlungen und sind doch nur ein Bruchteil der über 20.000 Objekte, die allein auf der zu Papua-Neuguinea gehörenden Insel Neuirland "erworben" und verschifft wurden. Schon bei seiner Eröffnung 1886 beherbergte das Berliner Museum für Völkerkunde über 10.000 Objekte aus Afrika, und es wurden damals viele derartige Museen eröffnet. Da verwundert es nicht, wenn sich unter den Leihgebern keine einzige Adresse aus den Ursprungsländern befindet. Dort gibt es kaum noch Skulpturen, die im Kontext der Traditionen geschnitzt und genutzt wurden, durch Missionierung und Kolonisierung sind die Kulturen selbst fast verschwunden.

So zeigt die großartige Ausstellung nicht nur, dass die außereuropäische Kunst ein besonders aufregender Zweig am Baum der Weltkunst ist. Sie zeigt auch, dass westliche Bewunderer sogar im Reich der Kunst privilegiert sind. Meist ist es zwar Raubkunst, die sie bewundern, doch das verdrängen sie gern.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.