Africa Cup: Wider den Pessimismus
Mit dem Beginn der Fußballmeisterschaft in Angola will der gebeutelte Kontinent ein Jahr des Imagewandels einläuten. Aber kann ein Spiel grundsätzliche Probleme lösen?
Es gibt viele Vorwürfe, die man Joseph Blatter machen kann. Der Präsident des Weltfußballverbandes (Fifa) gilt als gewiefter Machtmensch, regelmäßig fällt sein Name, wenn über Korruption im Weltsport debattiert wird, und dass er sich für eine Weltmeisterschaft in Afrika engagierte, führen Skeptiker vor allem darauf zurück, dass die Wahl in sein Amt maßgeblich von der Zustimmung afrikanischer Nationalverbände abhing. Es klingt daher etwas merkwürdig, wenn ein aufrichtiger Mann wie Anthony Baffoe bei jeder Gelegenheit betont, dass "ganz Afrika" dem umstrittenen Fußballherrscher "zu tiefem Dank verpflichtet" sei. Doch das ist ehrlich gemeint.
Ganz egal, wie es dazu kam, dass 2010 zum afrikanischen Fußballjahr werden konnte, heute blickt der gebeutelte Kontinent einer ganz besonderen Zeit entgegen. Einem Jahr der Hoffnung, das am kommenden Sonntag mit dem Africa Cup in Angola beginnen wird. "Die Menschen sollen endlich mal aufhören, immer an Afrika zu zweifeln", sagt Baffoe, der inzwischen als Teammanager Ghanas fungiert. Der ehemalige Bundesligaspieler begreift die WM in Südafrika als Chance, eine Seuche zu bekämpfen, die Cees Bruggemans, der Chefökonom von Südafrikas First National Bank, als weltweit grassierenden "Afro-Pessimismus" bezeichnet.
Das Jahr 2010 biete die Gelegenheit, "der Welt zu zeigen, dass wir fähig sind, und die anderen afrikanischen Länder zu ermutigen", sagt Bruggemans. Jenseits der Bekämpfung von Armut, Elend und Krieg ist es Afrikas wichtigstes Anliegen, endlich ernst genommen zu werden. Auch Didier Drogba vom FC Chelsea teilt diesen Wunsch. Im Spiel wirkt der ivorische Stürmer mitunter wie ein wütender Bulle, jenseits des Platzes ist er ein feinsinniger Mensch und ein hingebungsvoller Kämpfer für die afrikanische Sache. "Die wichtigste Aufgabe wird 2010 sein, das Bild zu ändern, das die Menschen von Afrika haben, wir müssen dem Rest der Welt zeigen, was Afrika kann", sagt er - ein Satz, in dem die alten Ängste mitschwingen, die den Kontinent plagen.
Nachdem die WM nach Südafrika vergeben worden war, meldeten sich in ganz Europa Experten zu Wort und erklärten, dass die Südafrikaner nie im Leben in der Lage seien, die Stadien bis zum Weltturnier im Sommer 2010 fertig zu bauen. Ganz zu schweigen von Straßen und Bahnen. Spekulationen über Geheimpläne der Fifa begleiteten die ersten Jahre der südafrikanischen Vorbereitungen. Es hieß, die WM werde an einen anderen Ort verlegt. Viele Afrikaner hörten in dieser Debatte einen rassistischen Unterton heraus. Seit Jahrzehnten bekommen sie von den Europäern, die ihre Ressourcen ausbeuten, erklärt: "Ihr selbst könnt euer Öl, eure Diamanten und eure Metalle sowieso nicht allein fördern, euch fehlt das Know-how, deshalb müssen wir es machen." Eine perfide Argumentation.
Es ist die alte Geschichte von Herrschaft und Unterdrückung, von Wohlstand und Ausbeutung, "die WM in Südafrika ist ein Signal gegen diese Mechanismen", sagt Baffoe. In den Industrienationen, wo sich große Teile der Bevölkerungen für liberal und tolerant halten, wird leicht vergessen, dass dieses Prinzip das Leben in Afrika immer noch bestimmt. Vielleicht sogar stärker als je zuvor. Europäische Politiker vermitteln gerne den Eindruck, es werde langsam besser mit Afrika, doch in Wahrheit ist - zumindest in den allermeisten Ländern - das Gegenteil der Fall.
Hunger und Aids raffen die Menschen dahin, seit 1990 waren 23 von 53 afrikanischen Staaten an Bürgerkriegen beteiligt, und der Klimawandel wird die Gefahr von solchen Konflikten wohl drastisch erhöhen, glauben Forscher von der Universität von Berkeley. In vielen Ländern sinkt die Lebenserwartung, in Angola, einem Land, das aufgrund seiner Ölvorkommen eigentlich vergleichsweise wohlhabend sein könnte, liegt sie bei 38,2 Jahren. Damit rangiert der Gastgeber des Africa Cups weltweit an vorletzter Stelle dieses Statistik.
Nicht nur deshalb ist Angola ein schwieriger Ort für den Beginn des großen afrikanischen Fußballjahres. Die Folgen des bis 2002 wütenden Bürgerkriegs sind noch überall sichtbar, aufgrund eines eklatanten Mangels an moderner Infrastruktur gilt die Hauptstadt Luanda für Besucher mit europäischen Ansprüchen als teuerste Stadt der Welt, Journalisten und Touristen meiden den diesjährigen Cup. Und dennoch bleibt das Spiel selbst eine Insel des Fortschritts. "Nie waren afrikanische Spieler so bedeutsam im Weltfußball, nie waren unsere Nationalmannschaften so stark", sagt Baffoe. Der Blick auf den Fußball gebe vielen Afrikanern ein Stück vom erschütterten Glauben daran zurück, dass sie jenseits aller Widrigkeiten vorankommen. Es sind vor allem ideelle Werte, mit denen das Jahr 2010 Afrika bereichern könnte, "nur muss der Rest der Welt aufpassen, dass er uns diese Aussicht mit seinen Zweifeln nicht nimmt", findet Baffoe.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!