piwik no script img

Afghanistans einziger GolfplatzPutten auf dem Brown

Der einzige Golfklub Afghanistans hat 36 Mitglieder. Die Tees sind ölschwarz, Greens von Stacheldraht umgeben. Die besseren Tage des 9-Loch-Platzes sind lange vorbei.

Neue Mitglieder willkommen. Bild: Agnes Tandler

KABUL taz | Wo die Spieler gerade stehen, ist leicht zu erkennen. Jeder Abschlag wirbelt eine meterhohe Staubwolke in der Abendsonne auf. Denn Afghanistans einziger Golfplatz ist nicht grün, sondern braun. Rasen sucht man hier vergebens. Die Tees sind ölschwarz, manche Greens sind von Stacheldraht umgeben, und hinter dem letzten Loch versteckten sich noch Überreste eines ehemaligen Trainingslagers der Taliban. Die letzten Minen, so versichert Klubbetreiber Muhammad Afzal Abdul zumindest, sind vor ein paar Jahren geräumt worden.

Auch drei sowjetische Panzer und ein Raketenwerfer mussten von der Anlage entfernt werden, bevor 2004 nach sieben Jahren Pause wieder gespielt werden konnte. Der Platz und sein Manager Afzal haben eine bewegte Vergangenheit hinter sich.

Der 50-Jährige ist vermutlich der einzige Golfprofi in ganz Afghanistan. Er leitet den einzigen Golfklub des Landes, den Kabul Golf Club. Der 9-Loch-Platz liegt etwas außerhalb der Stadt am Fuße des Karga-Staudamms, eines beliebten Ausflugsziels der Hauptstädter, die hier im Sommer gern schwimmen oder picknicken.

Auf dem Platz ist einiges anders: Den Eingang bewacht ein Militärposten. Bei den eher seltenen Wettkämpfen werden sicherheitshalber zusätzlich Männer mit Kalaschnikows postiert. Wer hier spielt, muss laut Platzordnung einen Balljungen mitnehmen, der die Golfbälle zwischen Steinen, Sand und Gestrüpp sucht und einsammelt. Denn der Platz ist unwegsam und rau. Die Fairways und die Roughs, also die hoch geschnittenen Grasflächen, sind nicht voneinander zu unterscheiden, und die Greens, die hier Browns genannt werden, bestehen aus einer Mischung aus Sand und Motorenöl, damit sie nicht davonwehen.

"Es ist vielleicht einer der wildesten Plätze auf diesem Planeten, aber das Spiel ist da", sagt Phil, ein britischer Geschäftsmann in Kabul, der am Samstagnachmittag hier seine übliche Runde mit Freunden macht: Viel Betrieb herrscht nicht. Der Klub hat gerade mal 36 Mitglieder: 20 Ausländer und 16 Afghanen, wie Afzal stolz erzählt.

Als der Platz 2004 wieder eröffnet wurde, herrschte Euphorie und Optimismus. Die Taliban hielt man für besiegt, das Land schien nach Jahrzehnten Krieg endlich zur Ruhe gekommen. Doch sieben Jahre später ist die Zukunft auch für Kabuls einzigen Golfplatz ungewiss. Viele der Diplomaten und Mitarbeiter internationaler Organisationen, die hier früher spielten, dürfen ihre hochgesicherten Wohn- und Arbeitsstätten kaum mehr verlassen. Und für die meisten Afghanen ist Golf anders als für Afzal nicht ihr Freizeitvergnügen.

Staubiges Vergnügen: Einer der raren Golfer in Kabul. Bild: Agnes Tandler

Als Junge schon hat er sich als Caddie auf dem Platz verdingt. "Vor 35 Jahren war hier alles Gras", erzählt der Profigolfer. In seinem Klubhaus, das aus einem ausrangierten Container besteht, stehen zwei alte Sofas. Ein paar verblichene Farbfotos zeigen den Platz in besseren Tagen, als die Hügel unterhalb des Staudamms noch grün waren. Die goldenen Jahre dauerten nicht lange.

Kabuls Golfcourse wurde 1978 geschlossen. Und in den folgenden 25 Jahren hielt der Krieg Afzal vom seinem geliebten Spiel ab. Die sowjetischen Besatzer, die nach Kabul kamen, hielten ihn für einen amerikanischen Spion und sperrten ihn für sechs Monate ins Gefängnis. Auch die Taliban, die 1996 an die Macht kamen, zeigten keine Sympathie für seinen Sport: "Du arbeitest für Ausländer. Du bringst Leuten das Golfspielen bei", beschuldigten sie ihn. Afzal landete erneut in Haft - für zweieinhalb Monate. Dann floh er mit seiner Familie nach Pakistan und schlug sich als Taxifahrer durch. Es war eine traurige Zeit für Afghanistans ersten Golfer. "Ich hatte kein Haus, keinen Klub, in dem ich spielen konnte."

Nach dem Sturz der Taliban, Ende 2001, fasste Afzal neuen Mut. Er kehrte zurück zu seiner alten Leidenschaft und richtete den 9-Loch-Parcours in Kabul wieder her. Es dauerte fast zwei Jahre, den Platz wieder bespielbar zu machen.

Seine alten Pläne für eine Rasenplatz hat Afzal nicht aufgegeben. "Ich will Leute finden, die hier Gras anpflanzen", sagt er. Doch Wasser gibt es auf dem ganzen Gelände nicht. Nach 25 Jahren Pause war an künstliche Bewässerung zunächst nicht zu denken. Von den Klubeinnahmen ist der Rasen ohnehin nicht zu finanzieren. 25 Dollar am Tag kostet das Spielen hier. Für 500 Dollar im Jahr kann man die Klubmitgliedschaft erwerben. "Ich brauche Hilfe", sagt Afzal. "Ich appelliere an alle Länder der Welt."

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

0 Kommentare

  • Noch keine Kommentare vorhanden.
    Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!