piwik no script img

Afghanisches Parlament entscheidetKarsais Kabinett fällt durch

Das Parlament in Kabul lehnt die Mehrheit der nominierten Kandidaten für die Ministerämter ab. Jetzt sind die Warlords ausgeschieden und der Präsident hat freie Hand.

Das Parlament hat am Samstag 17 von insgesamt 24 Kandidaten Karsais für Ministerämter die Zustimmung verweigert. Bild: dpa

Die Entscheidung des afghanischen Parlaments, einen Großteil der von Präsident Hamid Karsai vorgeschlagenen Ministerkandidaten abzulehnen, ist in Afghanistan als starkes demokratisches Signal gewertet worden. "Die Leute sind begeistert über das Votum", sagt die Frauenaktivistin Wazhma Frogh. Sie zeigte sich jedoch besorgt, dass in den kommenden drei Monaten 70 Prozent der Regierung nicht arbeitsfähig sein werden. Da das Parlament am 5. Januar für 45 Tage in die Winterpause geht, kann Karsai erst am 20. Februar neue Vorschläge vorlegen.

Die vakanten Ministerien werden laut Parlamentssprecher Hasib Nuri bis dahin von den stellvertretenden Ministern geleitet. "Die Minister auf Zeit werden alles daran setzen, ihren Nachfolgern keine Arbeit zu hinterlassen", vermutet Wazhma Frogh. Das Parlament hatte am Samstag 17 von insgesamt 24 Kandidaten Karsais für Ministerämter die Zustimmung verweigert. Darunter befinden sich prominente Warlords wie der bisherige Energieminister Ismail Khan, aber auch die amtierende Frauenministerin Husn Bano Ghazanfar.

"Bisher ist die Stimme des Volkes weitgehend ignoriert worden", sagt der unabhängige Abgeordnete Kabir Ranjbar. "Heute haben die Mitglieder des Parlaments gezeigt, dass sie mit Selbstvertrauen ihre Wähler repräsentieren."

Die Entscheidung ist auch ein indirekter Rüffel für die USA, die zwar von Karsai fordern, mit der Korruption in seiner Regierung aufzuräumen, aber gegen die erste Kabinettsliste keine Einwände vorbrachten. Dabei ist Ismail Khan nicht der einzige unter den abgelehnten Ministern, die eine dubiose Vergangenheit haben.

Viele segelten auf den Tickets von Warlords wie Sarwar Danish (Justiz), Mir Husain Abdullahi (Öffentliche Wohlfahrt) und General Khodaidad, die Mitglieder der Mudschaheddin-Partei Hisb-i-Wahdat sind, oder von deren Chef, Vizepräsident und Warlord Karim Khalili, unterstützt werden. Mohammed Ismail Munshi (Arbeit und Soziales) und Mohamadullah Batasch (Transport und zivile Luftfahrt) gehören zur "Jombesch"-Partei des blutrünstigen Usbekenführers Abdul Rashid Dostum, Wais Barman (Ländliche Entwicklung) und Enajatullah Nasari (Flüchtlinge) zum Lager des zweiten Vizepräsidenten, Qasem Fahim - ebenfalls ein Warlord. Enajatullah Balegh (Pilgerschaft) ist Mitglied der Partei Ettehad-e-Islami des Islamisten Rassul Sayyaf.

"Die Kriterien zur Aufstellung dieser Kandidaten waren entweder ihr ethnischer Hintergrund oder Bestechung", sagt die Abgeordnete Fawzia Kofi. Andere Kandidaten wie etwa Frauenministerin Husn Bano Ghazanfar fielen durch, weil sie während ihrer Amtszeit die in sie gesetzten Erwartungen nicht erfüllt hatten. Als "total enttäuschend" bezeichnet Wazhma Frogh ihre Leistung.

Die Kandidaten, die am Samstag die Zustimmung des Parlaments erhielten, galten hingegen zumeist als gelungene Besetzungen. So etwa Innenminister Hanif Atmar, Finanzminister Hazrat Omar Zakhilwal, Landwirtschaftsminister Mohamad Asif Rahimi und Verteidigungsminister Rahim Wardak. Informations- und Kulturminister Sayed Makhdum Raheen gilt als liberal und war deshalb 2005 von konservativen Kräften aus dem Amt gedrängt worden.

Bisher, so Qasim Akhgar, Mitglied der Menschenrechtskommission in Kabul, stand Karsai stark unter Druck, weil er "alle Leute belohnen musste, die sich im Wahlkampf für ihn eingesetzt haben". Jetzt, da das Parlament viele Kandidaten abgelehnt habe, sei dies nicht mehr seine Verantwortung. "Karsai wird schon bald eine Liste der Leute vorlegen, die er wirklich in seiner Regierung haben will", sagt Akhgar.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

0 Kommentare

  • Noch keine Kommentare vorhanden.
    Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!