Afghanischer Journalist soll sterbern: Proteste gegen Todesurteil
Ein afghanischer Journalist wird zum Tod verurteilt, weil er den Koran beleidigt haben soll. Medienorganisation sehen die Strafe als Attacke gegen dessen kritischen Bruder.
Diplomaten in Kabul und Medienorganisationen haben gegen das Todesurteil gegen einen 23-jährigen Journalisten aus der nordafghanischen Stadt Masar-i-Scharif protestiert. Ein Gericht in der Provinz Balkh hatte den Journalistikstudenten und Reporter des Blattes Jahan-i-Naw ("Neue Welt"), Sayed Perwis Kambachsch, am Dienstag erstinstanzlich für schuldig befunden, in einem Artikel den Koran "beleidigt" und Koranverse "falsch ausgelegt" zu haben. Er soll einen blasphemischen Text an Kommilitonen verteilt haben. Laut Kambachschs Familie habe er den Text aber nicht selbst verfasst, sondern von einer iranischen Webseite heruntergeladen.
Der UN-Sondergesandte in Kabul, Bo Asplund, kritisierte, das Urteil sei unter Ausschluss der Öffentlichkeit und ohne anwaltliche Vertretung gefällt worden. Der Vorsitzende des unabhängigen afghanischen Journalistenverbands, Rahimullah Samander, nannte das Urteil "ungerechtfertigt und ungerecht". Es verstoße gegen die Verfassung und gegen das islamische Recht. Die britische Organisation Institute for War and Peace Reporting (IWPR) vermutet, Kambachschs Bruder Sayed Yaqub Ibrahimi solle eingeschüchtert werden. IWPR bildet in Afghanistan Journalisten aus und veröffentlicht deren Texte. Ibrahimi schreibt für IWPR und sei lokalen Warlords wegen kritischer Artikel ein Dorn im Auge.
Journalisten berichteten aus Masar-i-Scharif, wo die Bundeswehr ihr afghanisches Hauptquartier hat, der dortige Vizegeneralstaatsanwalt habe sie bedroht, falls sie über den Fall berichten sollten. Das Informationsministerium in Kabul erklärte, im Fall Kambachsch sei das letzte Wort noch nicht gesprochen. Das Ministerium erklärte aber auch, das Urteil stehe nicht im Zusammenhang mit journalistischen Aktivitäten. Damit erklärt es sich für nicht zuständig und geht dem Konflikt mit Islamisten aus dem Weg.
Das Todesurteil ist das dritte gegen Journalisten in Afghanistan wegen Blasphemie seit dem Sturz der Taliban. 2003 gelang zwei Verurteilten die Flucht. Die afghanische Justiz, die kaum qualifiziertes Personal hat, ist von liberalen und islamistischen Kräften umkämpft. Erstere kritisieren Urteile, die wegen der Stärke der Islamisten gefällt werden, meist nur für Verfahrensfehler, nicht wegen der religiösen Auslegung.
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