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Affären-Stau auf allen Spuren

■ Rainer Kaufmann stellt in Stadtgespräch die leidige Frage nach der deutschen Komödie in einer Hamburg-Kulisse aufs neue

Es ist sinnlos, an dieser Stelle die deutsche Komödie zum tausendsten Mal beerdigen zu wollen. Suchen wir also die guten Seiten an Rainer Kaufmanns Stadtgespräch, wie alle deutschen Komödien der vergangenen drei Jahre auch diese mit der unvermeidlichen Katja Riemann in der Hauptrolle.

Zum Beispiel ist der Dean Martin-Hit „Everybody Loves Somebody Sometimes“, das Leitmotiv für die 89minütige Beziehungs- und Affärenquälerei, ein schönes Lied. Auch der Umstand, daß Hamburg nur als sechsspuriger Stau und City-Nord-Betonfassaden vorkommt, läßt uns auf Kosten der selbstverliebten Stadt hämisch grinsen. Überdies hat der Zahnarzt Erik Kirsch (August Zirner), in den Katja Riemann alias Monika Krauss sich verliebt, unserer Männerfeindlichkeit noch einmal richtig Auftrieb gegeben.

Monika Krauss ist Radiomoderatorin und berät in ihrer Sieben-Uhr-Früh-Sendung Beziehungskrüppel aller Art. Zu ihrem Dreißigsten gibt sie eine Kontaktanzeige auf und lernt den besagten Zahnarzt kennen, der aber mit ihrer Bodybuilding-Freundin Sabine (Martina Gedeck) nicht nur verheiratet ist, sondern auch zwei Kinder hat. Außerdem hat Monika einen schwulen Bruder (Kai Wiesinger bekannt aus der Schauspieler-Komödie Kleine Haie), der sich in alles einmischt und überdies auch noch in den Zahnarzt verliebt, weil dieser Oscar-Wilde-Gedichte rezitieren kann. Und nachher wohnen alle zusammen glücklich in der Zahnarzt-Villa, nur der Zahnarzt selbst haust in seiner Praxis.

Was uns bis zum Schluß auf den Sitzen gehalten hat, war nicht nur Katja Riemanns trotz allem sympathisches Gesicht, sondern auch der bohrende Zweifel an dem Grad der Selbstironie, die der Rolle des Zahnarztes zugedacht war. Meint er –innerhalb der komödiantischen Logik– das wohl ernst, daß er immer sagt er sei „nicht wie alle Männer“? Blitzt da nicht die Satire in seinen stahlgrauen Augen auf, als er den Dean-Martin-Schlager anstimmt, um Katja-Monika zu verführen? Lacht da nicht der Schalk zwischen den Frauen-Freundschafts-Floskeln hervor, die Katja-Monika und Sabine sich an den Kopf sülzen?

Vielleicht ist das Problem der deutschen Komödien-um das Thema nun doch noch aufzugreifen- daß sie selbst dort, wo sie die Realität ironisch überzeichnen wollen, unfreiwillig realistisch werden. Stadtgespräch führt uns unversehens mitten hinein in den grotesken Bähziehungsalltag von Radiomoderatorinnen und Zahnärzten – zum Totlachen eigentlich, wenn es nicht alles so unästhetisch wäre.

Ulrike Winkelmann

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