AfD-Provokation im Brandenburg: Wenn der Köder nicht mehr anlockt

Die AfD beantragte im Brandenburger Landtag, die Förderung von LGBT*-Projekten abzuschaffen. Die anderen Parteien reagierten einstimmig.

Kuppel des Potsdamer Stadtschlosses

Ach so? Im Potsdamer Stadtschloss ging es am Mittwoch um „Diskriminierung von Heteros“ Foto: imago/Westend61

BERLIN taz | Jetzt, wo die AfD in den deutschen Bundestag einzieht, stellen viele die Frage: Wie reagiert man auf rechtspopulistische Stimmen im Parlament? Dafür lohnt es sich, einen Blick auf eines der 13 Landesparlamente zu werfen, in denen die Partei bereits sitzt.

Im Brandenburger Landtag sitzt die AfD seit 2014 mit zehn Abgeordneten. Alexander Gauland ist Fraktionsvorsitzender. Die Fraktion setzt auf kalkulierte Provokation.

Für die Sitzung am Mittwoch beantragte die AfD-Fraktion zum Beispiel, dass Brandenburg die „ideelle und finanzielle“ Förderung von LGBT*-Projekten einstellen solle. Ein Antrag nach klassischer AfD-Formel: provokant, mit einer Prise Verachtung für Minderheiten. AfD-Abgeordnete Birgit Bessin setzt ein ein hervorragendes Pokerface auf bei Sätzen wie: „Und was ist mit Projekten gegen die Diskriminierung von Heterosexuellen?“

Der Köder ist also gelegt, jetzt bitte alle schön aufregen. Aber darum geht es den Antragstellern ja. Was tun also die Abgeordneten der anderen Fraktionen, nach drei Jahren (Zusammen-)Arbeit mit der AfD?

1. Sachen beim Namen nennen

Die Linke meldet sich als erstes zu Wort, Volkmar Schöneburg betritt das Podium. „Ich halte den Antrag für perfide und schamlos“, sagt er, da wird nichts in Watte gepackt. Eine Abgeordnete der Grünen sagt, der Antrag gehöre in die Ablage der „ewig Gestrigen“. Es gibt viele starke Worte, um die Politik der AfD zu benennen. Man muss nicht immer nur „Nazi“ schreien, denn dafür ist die AfD bereits gewappnet, das prallt nicht nur an ihr, sondern auch an ihren Wählern ab.

2. Begründen statt behaupten

Aber, und das ist noch wichtiger, Schöneburg setzt nach: „Und das möchte ich jetzt begründen.“ Das macht er auch, nicht nur ideologisch, sondern vor allem mit Fakten. Zahlen, die zeigen: Natürlich ist die Diskriminierung von LGBT* nicht nur ein dunkler Teil der Geschichte, sondern Realität. Für die meisten abseits der AfD dürften das nicht gerade Breaking News sein, aber es ist wichtig, so etwas nicht nur zu behaupten, egal wie selbstverständlich es auch klingen mag, sondern auch zu belegen.

3. Strategien entlarven

Nach dem ersten Widerlegen der Argumente der AfD ist es Zeit, einen Schritt zurückzutreten: Was will die Partei mit einem Antrag wie diesem eigentlich erreichen? Dass so eine Forderung vom Rest des Parlaments entschlossen abgelehnt wird, dürfte die AfD nicht überraschen. Schöneburg geht sogar noch einen Schritt weiter: Die AfD will selbst nicht, dass der Antrag durchgeht. „Doppelbödigkeit“ nennt er es, dass zum Tag gegen Homophobie im Mai noch alle der AfD-Fraktion teilgenommen, sogar Beifall geklatscht haben. Doch jetzt soll ein Antrag wie dieser nach erzkonservativen Wählern fischen, durchkommen wird er ja eh nicht. Die Grünen merken an, dass der Antrag ursprünglich noch „pünktlich zum Bundestagswahlkampf“ gestellt wurde.

4. Nicht schwer bewaffnet ins Wortgefecht

Immer wieder ruft die AfD dazwischen, zwei der AfD-Abgeordneten wollen auf die Rede der Linken etwas entgegnen. AfD-Mann Andreas Galau steht mit hochrotem Kopf am Podium, schreit fast. Es hätte ein richtiges Wortgefecht geben können, bis die letzte Fraktion ihre Redezeit aufgebraucht hat. Aber niemand lässt sich darauf ein, raue Umgangsformen gibt es nur bei der AfD. Hier bekommt auch niemand „auf die Fresse“.

5. Geschlossen auftreten, obgleich nicht dauernd

Die CDU-Abgeordnete Kristy Augustin steigt mit dem Satz ein: „Ich schließe mich meinem Vorredner von den Linken in allen Punkten an.“ Das hört die Linke sicher nicht besonders oft. Bei der Abstimmung am Ende sind alle Fraktionen außer der AfD geschlossen gegen den Antrag, keine Enthaltungen. „Die AfD will die Zeit zurückdrehen, die Karawane zieht in die andere Richtung“, sagt die Grünen-Abgeordnete.

Es ist natürlich wichtig, nicht alle politischen Differenzen dem „gemeinsamen Gegner“ AfD zu opfern. Doch bei solchen Provokationen ist Einstimmigkeit erlaubt. Dass die CDU der Linken „in allen Punkten“ zustimmt, dürfte ja sowieso sehr selten vorkommen.

6. Film- und Buchtipps geben

Der Linken-Abgeordnete empfiehlt den AfD-Abgeordneten zum Abschluss noch das Buch „Die Rückkehr nach Reims“ vom französischen Soziologen Didier Eribon, außerdem könnten ihnen die Filme „Aus der Haut“ und „Coming Out“ beim besseren Verständnis von Diskriminierung helfen.

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