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AfD-Landesparteitag in BraunschweigDraußen Protest, drinnen zu voll

Hunderte haben am Samstag gegen den AfD- Landesparteitag in Braunschweig demonstriert. Dieser wurde wegen Überfüllung vorzeitig beendet.

Doppelt gemoppelt hält besser, hat sich diese junge Demonstrantin in Braunschweig am Samstag gedacht Foto: dpa

Braunschweig epd/dpa | Mehrere Hundert Menschen haben am Samstag in Braunschweig gegen einen Parteitag der niedersächsischen AfD demonstriert. An den Protesten beteiligen sich der Polizei zufolge rund 500 Menschen, das Braunschweiger Bündnis gegen Rechts nannte 800 Teilnehmer. Ein Polizeisprecher sagte, die Aktionen seien weitgehend friedlich verlaufen. Die AfD musste ihre Veranstaltung am frühen Nachmittag wegen Überfüllung abbrechen. In der Braunschweiger Milleniumhalle, in der schon im vergangenen Jahr ein Landesparteitag der AfD stattgefunden hatte, waren mehr Parteimitglieder erschienen als wegen der Corona-Bestimmungen zugelassen waren.

Rund um die Halle und verteilt auf mehrere Kundgebungsorte versuchten Demonstranten seit dem frühen Morgen, die Anreise der AfD-Mitglieder durch Sitzblockaden und eine Menschenkette zu behindern. In der Braunschweiger Weststadt räumte die Polizei nach eigenen Angaben eine Blockade. Dabei sei es zu Angriffen auf die Beamten gekommen, ein Beamter sei leicht verletzt worden. Zwei Personen wurden den Angaben zufolge festgenommen, ihnen werde Widerstand und Körperverletzung vorgeworfen. Demonstrationsteilnehmer sprachen von einem teils gewaltsamen Vorgehen der eingesetzten Polizisten. An anderen Orten drängten Polizisten Blockierer zur Seite oder trugen sie weg.

Die Protestaktionen standen unter dem Motto „Die AfD an die Kette legen!“. Sebastian Wertmüller vom Braunschweiger Bündnis gegen Rechts sagte, dass allein die Existenz der AfD in den kommunalen Parlamenten, in den Landtagen und im Bundestag das gesellschaftliche Klima negativ beeinflusse: „Was dort an Hass und Ausgrenzung ausgesprochen wird, das kommt beim braunen Urschleim der Gesellschaft an und befördert den Hass, bestärkt Reichsbürger und sogenannte Querdenker. Ein Parteitag der AfD darf kein Teil der gesellschaftlichen Normalität sein.“

Gleichzeitig kritisierte Wertmüller, dass eine vom Bündnis geplante Menschenkette an der Zufahrtstraße zur Milleniumhalle von der Versammlungsbehörde untersagt worden sei. „Wir wollten die AfD symbolisch an die Kette legen“, sagte er. Gleichwohl zog Wertmüller eine positive Bilanz der Proteste: „Wir waren viele, wir waren laut. Die AfD konnte ihren Stiefel nicht wie geplant durchführen und das frühzeitige Ende ist das Sahnehäubchen!“ Außer dem Bündnis gegen Rechts hatten unter anderem die Grünen, die Partei Die Linke und mehrere Jugendverbände zu den Protesten aufgerufen.

Wie die Polizei über Twitter berichtete, kam es am Vormittag in Teilen der Stadt wegen der Kundgebungen des Bündnisses zu Verkehrsbehinderungen. Auch der Öffentliche Personen-Nahverkehr war betroffen. Bei ihren Parteitag wollte die AfD ihre Landesliste für die Bundestagswahl aufstellen. Wann die Veranstaltung wiederholt wird, war zunächst nicht bekannt.

Lagerstreit um Kandidatenliste für Bundestagswahl

649 Parteimitglieder befanden sich zum Start des Parteitags im Saal, 14 warteten draußen. Da keine stimmberechtigten Mitglieder ausgeschlossen werden durften, beschloss der Versammlungsleiter, den Parteitag abzubrechen vorzeitig zu beenden. Da das Ordnungsamt vor Ort auf Durchsetzung der Corona-Auflagen pochte, hatte die AfD zunächst alle Journalisten nach draußen geschickt. Es befanden sich aber noch immer zu viele Menschen im Saal.

Während bei anderen Parteien eine feste Zahl von Delegierten zu den Parteitagen eingeladen wird, sind bei der AfD alle Mitglieder willkommen. Wie viele Teilnehmer zu einem Parteitag kommen, ist damit schwer abschätzbar.

Für den von Kreisvorständen am Landesvorstand vorbei einberufenen Parteitag lagen Abwahlanträge gegen AfD-Landeschef Jens Kestner und drei weitere Vorstandsmitglieder vor. Moderate Kräfte in der Partei wehrten sich damit gegen den Versuch des rechten Lagers um Kestner, die Kandidatenaufstellung zur Bundestagswahl wegen angeblicher Formfehler zu wiederholen. Bei der Aufstellung hatte das rechte Lager den Kürzeren gezogen. Sowohl Kestner als auch der frühere Landeschef Armin-Paul Hampel hätten damit keine Aussicht auf einen Wiedereinzug in den Bundestag.

Zum Auftakt des Parteitags mahnte AfD-Bundessprecher Tino Chrupalla die anwesenden Mitglieder zur Geschlossenheit und zügigen Lösung der Probleme. „Schaut nicht mehr zurück, ihr müsst nach vorne schauen, rauft euch zusammen, stellt eine rechtssichere Liste auf, wir brauchen Niedersachsen.“ Es gebe in der Partei nur zwei Lager, ein destruktives und ein konstruktives. Teile des Saals reagierten mit lauten Buhrufen auf Chrupallas Rede.

Seinen Ausgangspunkt nahm der Lagerstreit in Niedersachsen beim Landesparteitag im August, als Kestner den Landesvorsitz der bisherigen, dem gemäßigten Lager zugerechneten Vorsitzenden Dana Guth abgerungen hatte.

Viel Zeit bleibt in dem Streit um die Kandidatenliste für die Bundestagswahl nicht mehr. Spätestens am 19. Juli muss die Landeswahlleitung Klarheit über die vorgelegte Liste haben. Der Landesvorstand hatte auf dem Sonderparteitag eigentlich eine Neuaufstellung der Liste durchsetzen wollen, oder zumindest eine Neuwahl für einzelne Listenplätze. Ansonsten bestehe die Gefahr, dass die Wahlliste schlicht für ungültig erklärt wird.

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2 Kommentare

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  • "Ein Parteitag der AfD darf kein Teil der gesellschaftlichen Normalität sein.“



    Es ist grundsätzlich richtig der AFD mit allen friedlichen Mitteln schärfsten Widerstand entgegenzusetzen! Aber einen Parteitag zu verhindern suchen gehört m. E. nicht dazu. Wir Linke kämpfen gegen Rechts, aber nicht gegen die Demokratie.

  • 1G
    15833 (Profil gelöscht)

    Ich Stelle mir eine Frage, haben die Demonstranten eine Idee wie die AFD weniger oder keine Leute wählen?

    Grundsätzlich finde ich es gut gegen die AFD zu demonstrieren, nur den Parteitag zu verhindern oder die Leute daran zu hindern teilzunehmen macht ja die Wähler nicht weniger.

    Die Politik zu überdenken und ändern um diese Wähler zurück zu gewinnen wäre doch auch ein wichtiger Schritt