AfD-Kandidat in Thüringer Landratswahl: Herrgott noch mal gegen Thrum
Nachdem der AfD-Kandidat beim ersten Wahlgang im Saale-Orla-Kreis vorne lag, bekommt sein CDU-Gegner, Christian Herrgott, Unterstützung von links.
Der AfD-Landtagsabgeordnete Uwe Thrum warb nun vor der Stichwahl unter anderem damit, dass er sich von Beginn an gegen die Corona-Politik gewehrt habe, gegen Grenzöffnungen sei und Frieden mit Russland wolle. Der AfD-Politiker und Handwerker pflegt zudem Kontakte zu Reichsbürgern. Sein Fraktionsvorsitzender, der Faschist Björn Höcke, unterstütze ihn im Wahlkampf.
Kontrahent Christian Herrgott ist als Landtagsabgeordneter und Generalsekretär der Thüringer CDU ein erfahrener Politiker. Nach zehn Jahren im Landtag wolle er nun „die Heimat stärken“. Moderne Schulen und Turnhallen stehen bei seinen Themen ganz oben. In einer Werbeanzeige Herrgotts stehen allerdings andere Forderungen: „Bürgergeld abschaffen. Konsequent abschieben. Windkraft im Wald verhindern.“ Auf Nachfrage der taz verweist er darauf, es handle sich nicht um sein Wahlprogramm, sondern lediglich um seine „politischen Grundüberzeugungen“.
Über mangelndes Interesse an der Wahl kann sich der Saale-Orla-Kreis nicht beschweren – das zeigt sich auch bei der Beteiligung. Während bei der vorherigen Wahl 2018 33,2 Prozent ihre Stimme abgaben, waren es dieses Mal im ersten Wahlgang fast doppelt so viel: 65,5 Prozent. Aber es ist fraglich, ob wieder so viele am Sonntag ihr Kreuzchen setzen.
Wahlaufruf im Saale-Orla-Kreis
Genau dazu ruft ein Bündnis in einem offenen Brief auf: Wählen gehen. Dort heißt es, man sei besorgt um ein „fruchtbares Miteinander“, der Kreis stehe vor Aufgaben, „die wir nur gemeinsam, mit Sachverstand“ lösen könnten. Dafür brauche es einen Landrat, der „Probleme vor Ort ohne Feindbilder“ löse. Unterzeichnet haben soziale Initiativen wie die Diakonie, Bürgermeister*innen, Privatpersonen und auch der bisherige Landrat Thomas Fügmann (CDU).
Doch trotz des großen Interesses an der Wahl wollte sich Uwe Thrum keiner Debatte mehr stellen. Eine für Dienstag geplante Podiumsdiskussion der Lokalen Ostthüringer Zeitung sagte er am Montag ab. Wegen der „medialen Hetzjagd“ gegen ihn erwarte er keine sachliche Diskussion. Wer seine „unverfälschte“ Position hören wolle, könne zu seiner Kundgebung am Abend in Bad Lobenstein kommen.
Doch auch diese Kundgebung blieb nicht ohne Kritik. Das lokale Bündnis „Dorfliebe für alle“ mobilisierte zu einer Mahnwache dagegen. Laut Bündnis kamen dorthin mehr als 120 Menschen – für Bad Lobenstein eine Menge.
Auch Ralf Kalich kam und hielt eine Rede. Die AfD-Sympathisant*innen seien von dem Gegenprotest verunsichert, sagt er: „Die sind es hier ja nicht gewohnt, dass auf der anderen Seite genauso viele sind.“ Der Kandidat der Linken bekam im ersten Wahlgang 6,9 Prozent der Stimmen und schied damit aus. Nun wirbt er dafür, das Kreuz bei Herrgott zu setzen.
Dem Saale-Orla-Kreis fehlen junge Menschen
Wegen dessen politischer Ansichten sei das nicht leicht. „Dass ich da andere Vorstellungen habe, brauchen wir nicht zu diskutieren“, sagte Kalich der taz. Aber in der Kommunalpolitik gäbe es gemeinsame Ziele: eine flächendeckende Gesundheitsversorgung oder die Finanzierung von Rettungswachen.
Trotzdem sei es schwer, junge Wähler*innen aus der linken bis linksautonomen Szene zu überzeugen. Denen sage Kalich dann: „Ihr stimmt nicht für die CDU, ihr stimmt gegen die AfD.“
Doch viele junge Menschen verlassen den Saale-Orla-Kreis für das Studium oder die Ausbildung. Die Bevölkerung altert und die Einwohner*innenzahlen gingen von 1994 noch 103.000 Menschen auf mittlerweile etwa 79.000 zurück.
„Es fehlen öffentliche Räume für junge Menschen“, sie könnten so das Leben schwer mitgestalten, sagte die 23-jährige Lena Grundmann von „Dorfliebe für alle“ der taz. „Dabei kann die Energie junger Menschen viel Gutes für die Gesellschaft tun.“
Zudem fehle es an Förderung für Frauen, inter, nichtbinäre, trans und agender Personen. „Mit einem AfD-Landrat dürfte die auch weiter ausbleiben“, findet Grundmann.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Historiker Traverso über den 7. Oktober
„Ich bin von Deutschland sehr enttäuscht“
Elon Musk greift Wikipedia an
Zu viel der Fakten
Grünen-Abgeordneter über seinen Rückzug
„Jede Lockerheit ist verloren, und das ist ein Problem“
Hoffnung und Klimakrise
Was wir meinen, wenn wir Hoffnung sagen
Nach dem Anschlag in Magdeburg
Das Weihnachten danach
Der Fall von Assad in Syrien
Eine Blamage für Putin