: Ärzte machen mobil
■ Massive Kritik an Bonner Gesundheitspolitik/ Ärzte und Krankenkassen unzufrieden/ Bald höhere Beiträge?
Bonn (dpa/taz) — Die Gesundheitspolitik der Bundesregierung sieht sich immer massiverer Kritik ausgesetzt. In einer Erklärung der dritten Bundesversammlung des Ärzteverbandes Hartmannbund hieß es am Samstag in Bonn, die Ärzteschaft werde nicht mehr länger zusehen, wie das Gesundheitswesen „systematisch durch eine kurzsichtige, sachlich falsche und unverantwortliche Politik ruiniert werde“. Die medizinische Versorgung werde immer mehr durch den Staat reglementiert und der ärztlichen Verantwortung entzogen.
Der Vorsitzende des Hartmannbundes, Hans-Jürgen Thomas, hatte vor der Versammlung mit über 500 Teilnehmern von einer „ernsten Gefahr“ für Ärzte, Pfleger und Patienten gesprochen, die durch die Erfolglosigkeit der Gesundheitspolitik heraufbeschworen worden sei. Der Ratlosigkeit, wie Kosten einzudämmen seien, folge jetzt „die Phase maßloser Angriffe“ insbesondere auf die Ärzte, die „unsinnige und unter medizinischen Gesichtspunkten gefährliche Eingriffe“ in ihre Arbeit hinnehmen müßten.
Bundesgesundheitsministerin Gerda Hasselfeldt (CSU) wies die Proteste entschieden zurück. Es gebe nicht den geringsten Anlaß für eine derartig überzogene Kritik.
Der Geschäftsführer des Verbandes der Angestellten-Krankenkassen, Eckhart Fiedler, schloß nicht aus, daß bei ungebrochener Kostensteigerung der Beitragssatz der Angestellten-Ersatzkassen bis 1993 um knapp einen Prozentpunkt auf durchschnittlich 13 Prozent erhöht werden müsse. In einem Zeitungsinterview sagte er, der durchschnittliche Beitragssatz in der gesetzlichen Krankenversicherung werde in diesem Jahr 12,8 Prozent übersteigen und damit höher sein als vor der Reform im Gesundheitswesen. Die Bundesregierung müsse endlich reagieren und die kostentreibenden Strukturen vor allem bei Krankenhäusern und Ärzten reformieren.
Eine „radikale Kur“ im Gesundheitswesen verlangte SPD-Bundesgeschäftsführer Karlheinz Blessing. „Bei einem Defizit von jährlich über sechs Milliarden Mark — Tendenz steigend — hilft doch kein Kostendämpfungsgesetz mehr. Wir müssen an die Wurzeln gehen.“ Er fügte hinzu: „Wir müssen uns mit denjenigen anlegen, die sich an der Krankheit anderer gesundstoßen — mit der Pharmaindustrie genauso wie mit den Ärzten.“
Bundesarbeitsminister Blüm (CDU) verlangt eine Entscheidung über die von ihm geforderte gesetzliche Pflegeversicherung. Man habe seit mehr als 20 Jahren diskutiert, und er sehe keine neuen Argumente mehr, meinte Blüm am Samstag in Bad Oeynhausen auf einer CDU- Veranstaltung.
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