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„Älter als Sajudis“

■ Die Grünen Litauens sehen sich als Bewegung und legen weniger Wert auf die Parteiarbeit

Vilnius (taz) — Eine Bewegung wollen sie sein, doch haben sie auch eine Partei gegründet. Die spielt aber eine deutlich geringere Rolle als zum Beispiel in der Bundesrepublik, was zur Folge hat, daß die litauischen Grünen nicht durch vergleichbare Macht- und Flügelkämpfe zerrissen sind. Das liegt sowohl an der offenen Organisationsstruktur wie an der noch verhältnismäßig jungen Geschichte.

Die grüne Bewegung Litauens datiert ihre Geburtsstunde auf das Jahr 1988 und ihre Mitglieder verweisen mit Stolz darauf, um ein halbes Jahr älter als die Unabhängigkeitsbewegung „Sajudis“ zu sein, die, nachdem sie Parlamentspräsident und Regierung stellt, in eine tiefe Krise geschliddert ist. Gründungsmütter und -väter der grünen Bewegung beschreiben die Gründungsphase damals, als die Formierung von Organisationen noch riskant war, wie ein Fest. Jonas Tamulis, von Anfang an dabei, erinnert sich: „Es galt herauszufinden, wie weit man gehen konnte, was erlaubt und was verboten war.“

Die grüne Bewegung hat nach eigenen Angaben etwa 6.000 vor allem jugendliche Mitstreiter, die Partei selber nicht mehr als 200 Mitglieder. Und die sollen vor allem die Parlamentsarbeit unterstützen. Neun Anhänger der grünen Bewegung sind Abgeordnete im litauischen Parlament, davon sind aber nur fünf auch Mitglieder der Partei.

Trotz der geringen Bedeutung, die die „Bewegung“ der „Fraktionsarbeit“ zuordnet und durch die fraktionsübergreifende Ausrichtung der „Grünen“ fristet die Fraktion, obwohl zahlenmäßig schwach, keineswegs ein Exotendasein nach westeuropäischem Beispiel. Aus dem zentralen ökologischen Dilemma Litauens — Abhängigkeit vom wirtschaftlichen und somit umweltverschmutzenden Kreislauf der Sowjetunion — ergibt sich für sie die Notwendigkeit, die Unabhängigkeit des Landes anzustreben. Und da stimmen sie mit der Mehrheit im Lande überein. Mit Stolz verweisen die führenden Köpfe der Bewegung andererseits auf die „ausgezeichneten Kontakte“ mit Grünen in Ungarn, der Ex-DDR, England und den USA.

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