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Ägypten droht mit PassentzugIsraels Ansehen ist ganz unten

Das ägyptische Volk fordert eine härtere Gangart gegenüber Israel. Nun heißt es, Ägyptern mit einer israelischen Frau soll die Staatsbürgerschaft entzogen werden.

Anti-Israel-Demonstration in Alexandria. Bild: ap

KAIRO taz | "Ägypter, die mit einer Israelin verheiratet sind, wird die Nationalität entzogen", lautet die Schlagzeile in der staatlichen Tageszeitung al-Ahram. So hatte am Wochenende das oberste Berufungsgericht in Kairo entschieden.

Der Zeitpunkt des Urteils ist zufällig, aber die aufgeheizte Atmosphäre zwischen Ägypten und Israel hat möglicherweise dazu beigetragen. In der vergangenen Woche gab es in Kairos Kaffeehäusern kein anderes Thema als die Aktion des israelischen Militärs gegen den Hilfskonvoi von Schiffen nach Gaza.

Drei Jahrzehnte nach dem ägyptisch-israelischen Friedensvertrag ist das Ansehen Israels nach dem Gazakrieg 2009 und dem jüngsten Einsatz im Mittelmeer auf einem weiteren Tiefpunkt angelangt. Da scheinen die ägyptischen Arbeiter in Israel, die eine Israelin geheiratet haben - etwa zwischen 15.000 und 30.000 - ein billiges Bauernopfer, um die Gemüter zu beruhigen.

Die Klage hatte der islamistische Anwalt Nabil al-Wasch vergangenes Jahr erfolgreich eingebracht. Im Urteil im jetzigen Berufungsverfahren, gegen das kein Widerspruch möglich ist, erhielt er erneut Recht. Er wolle verhindern, dass "eine Generation von Ägyptern mit falschen Loyalitäten entsteht", rechtfertigte al-Wasch seine Klage. "Kinder aus diesen Ehen sollten in Ägypten keinen Militärdienst leisten", sagt er. Doch Söhne mit einer doppelten Staatsbürgerschaft sind in Ägypten grundsätzlich vom Militärdienst ausgeschlossen.

Aber die Crux liegt im Detail, wie der Politologe Emad Gad vom Al-Ahram-Zentrum für Strategische Studien in Kairo in einem Gespräch erklärt. Gad leitet die Abteilung für Israel-Studien. "Der Titel in der Al-Ahram klingt dramatisch, der erklärende Text darunter zeigt aber, dass sich in Wirklichkeit wenig ändern wird", sagt der Herausgeber der ägyptischen Vierteljahreszeitschrift Ausgewähltes aus Israel. Denn das Gericht nimmt Ägypter, die mit einer Palästinenserin mit israelischem Pass verheiratet sind, ausdrücklich aus.

"Das betrifft 98 Prozent der Fälle, in denen Ägypter eine Israelin geheiratet haben", erklärt Gad. Die restlichen 2 Prozent, also Ägypter mit einer jüdischen Israelin als Frau, verlieren ihre Staatsbürgerschaft nicht automatisch, sondern sollen von Fall zu Fall begutachtet werden.

Angesichts der Tatsache, dass es das ägyptische Innenministerium war, das gegen Al-Wasch Berufung eingelegt hat, kann man davon ausgehen, dass man es dort nicht darauf anlegen wird, vielen Ägyptern die Nationalität zu entziehen. "Das Ganze ist eine Augenwischerei, um den Unmut der Bevölkerung gegenüber Israel auf harmlose Art zu kanalisieren", folgert der Politologe.

Für ihn steht das Urteil in einer Linie mit der Ankündigung der ägyptischen Regierung vor ein paar Tagen, die Grenze zum Gazastreifen zu öffnen. In Wirklichkeit hat sich aber am Übergang in Rafah wenig geändert. Ein paar hundert Menschen reisen dort täglich in den Gazastreifen ein und aus. Eine Erlaubnis haben nur diejenigen, die ein Visum für ein Drittland in ihrem Pass vorweisen können, und jene, die bei den Grenzern auf der Liste für eine medizinische Versorgung außerhalb Gazas stehen. Der Unterschied ist, dass die Öffnungszeiten an der Grenze verlängert wurden.

"Auch da ging es der Regierung von Präsident Hosni Mubarak darum, vor einem Treffen der Arabischen Liga letzten Freitag innerarabischen Druck abzulenken", erklärt Gad. Sonst hätte Ägypten als Mittäter bei der Blockade des Gazastreifens Kritik einstecken müssen.

So auch im Fall des jüngsten Urteils: Der israelkritischen öffentlichen Meinung am Nil wurde ein wenig Sand in die Augen gestreut und am Ende bleibt im kalten Frieden zwischen Ägypten und Israel alles so wie bisher.

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22 Kommentare

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  • TI
    tatsache ist

    türkei steigt mittelfristig zur mittelmacht/stärkste regionalmacht auf, und deswegen scheitert die eu. langfristig etabliert die türkei ihren einfluss- und intressengebiet in südosteuropa, balkan, kaukasus,mittelasien, naher-osten, nördlich von sahara und dem nil entlang ! oder die türkei kommt in die eu, und gehört zur einer macht die sich durchzusetzen hat. verhilft seinen partnern an kraft, einflussentfaltung, überzeugungskraft, dynamik und ausdauer ! es ist einfach zur erkennen was für die eu besser ist, ob mit türkei oder nicht ?!! natürlich ist auch für die türkei das beste von vielen möglichkeiten leicht auszumachen, welche sie in anspruch zu nehmen hat und schon tut !!!!!

  • RD
    Rainer David W. Früh

    "Israels Ansehen ist ganz unten"

     

    Ja, besonders bei den Terroristen!

    Und nicht zuletzt auch beim politischen Arm der Hamas in Europa, der Linkspartei, an vorderster Stelle die Altstalinisten Peach, Groth und Höger.

  • U
    Urgestein

    Schade eigentlich. Kaum ist Israels Ansehen in der breiten Öffentlichkeit "ganz unten", da müssen sie die Ägypter gleich wieder überholen. Die gönnen den aber auch nix, nicht mal den letzten Platz im Ranking "internationales Ansehen"...

     

    @Hemberger

    Einfach mal ERST lesen, DANN rumschnautzen. Israel ist nach internationalem Recht VERPFLICHTET, im Ausland abgeschlossene Ehen anzuerkennen. Dass heisst aber nicht, dass sie das ohne diesen Zwang auch täten. Denn eine solche Ehe lässt sich in Israel selbst nicht schliessen, da es keine Trennung zwischen Kirche und Staat und somit ausschliesslich religiöse Eheschliessungen gibt.

     

    Die Gesetzgebung der Knesset tut ein Übriges. Schon 2003 wurde unter anderem geregelt, dass ein nichtjüdischer Ehepartner durch Heirat keine israelische Staatsbürgerschaft erhält - ein jüdischer hingegen schon. Israelische Politiker argumentieren, dass "das Blut reingehalten" und das jüdische Volk vor "Vermischung" und damit einhergehender "Entwertung" geschützt werden muss (Apropos: Wer ist da eigentlich der "Antisemit" = gegen (Ver-)Mischung?).

     

    Amnesty International und Human Rights Watch kritisieren das israelische Familienrecht als "rassistisch, undemokratisch und diskriminierend".

     

    http://www.uni-kassel.de/fb5/frieden/regionen/Israel/ehegesetz.html

     

     

    Das alles kann und darf aber keine Entschuldigung für den aktuellen Schuss ins eigene Knie der ägyptischen Regierung sein.

  • RD
    Rainer David W. Früh

    @ neo:

    Entweder, Sie halten die Leser hier für total verblödet oder mit Ihnen stimmt was nicht.

    Ich wusste gar nicht, dass PI hier in Deutschland die Regierung stellt.

    Oder wo liegt aus Ihrer Sicht die Übereinstimmung von amtlicher, ägyptischer Regierungspolitik und einem zweifelhaften Blog in Deutschland?

    Das ist ungefähr so dämlich, wie die Inquisition des Mittelalters mit der real existierenden Sharia gleichzusetzen.

  • TH
    Thomas Hemberger

    @erwaehlter@sofort-mail.de

     

    Ihre Behauptungen entsprechen nicht der Realität.

     

    Ich habe selbst schon arabisch-jüdische Ehepaare aus Israel kennengelernt.

     

    Israel anerkennt im Übrigen alle im Ausland geschlossenen Ehen.

  • E
    erwaehlter@sofort-mail.de

    An alle Empörten: Wußten Sie schon, daß in Israel Ehen zwischen Auserwählten und Nichtauserwählten seit jeher verboten sind?

     

    www.sueddeutsche.de/leben/heiraten-in-israel-jawort-ohne-jahwe-1.156671

     

    Tel Aviv hat mit dem alten Nürnberg und seinen Gesetzen mehr zu tun als man denkt.

  • N
    Neo

    Deutschland kennt sich ja sehr juuut mit Rassegesetzen aus. Die PI-Jünger mit ihrer Anti-Islam Hetze a la "Stürmer" ja auch. Ich frag mal die PI-Jünger wie die das mit ihren "Musels" machen würden. Habe ja schon einiges bei denen gelesen, wie kauft nicht bei "Musels" oder gebt "Musels" keine Arbeit und der deutschen Frau müsste man die Staatsbürgerschaft entziehen, weil sie mit einem "Musel" verheiratet ist uvm. Die haben bestimmt noch einige andere Ideen zu diesen Rassegeseten. Am besten frage ich hier mal in die Runde, sind ja genug PI-Jünger hier.

  • T
    t.w

    ich bin sicher der franz., der engl., der schwedische aussenminister wird von ägypten eine erklärung dieser angelegenheit fordern. hahaha

    und die linken abgeordneten hier zu lande eine protestaktion starten. hahaha

    gratuliere europa. ihr habt einen kleinen vorgeschmack auf psycho erduan bekommen.

  • U
    Unbequemer

    Unschuldige Menschen, Individuen, die null und nichts mit dem Konflikt zu tun haben, sollen aus rein rassistischen Gründen für ihre Herkunft bestraft werden? Ägypten 2010 - Ansätze der Rassengesetze werden sichtbar. Und hier gibt es immer noch Leute, die dafür Verständnis aufbringen. Unfaßbar.

  • H
    hschweizer

    Entzogen wird die ägyptische Staatsbürgerschaft also nur, wenn der Mann eine jüdische Israelin heiratet. Naive Frage: Ist sowas nicht rassistisch?

  • G
    guvo

    Es bleibt, dass die Unterstützer des Hilfstransports versuchten, die israelischen Soldaten mit Gewalt daran zu hindern, die Schiffe zu entern. Der Fehler war, dass die Soldaten in der Bedrängnis keinen anderen Weg mehr sahen als mit direkter Gegengewalt zu reagieren. Die Schiffsbesatzungen nahmen somit in Kauf, das Leben aller Beteiligten zu gefährden, um ein möglichst große öffentliche Empörung zu erzielen. Viel im Kopf können die Schiffsbesatzungen nicht gehabt haben. Denn die Soldaten wollten sicher niemanden unmittelbar gefährden. Mag sein, dass die Israelis, gegen Seerecht verstießen. Das hätte man auf andere Weise regeln können. Deshalb verurteile ich als erstes die Schiffsbesatzungen.

  • V
    vic

    Diese "härtere Gangart" ist tatsächlich eine billige Schlagzeilenaktion.

    Nur die Genzen vorbehaltlos zu öffnen, wäre ein deutliches Zeichen für Israels Regierung und den Rest der Welt.

    Und nur das würde den Menschen Gazas wirklich helfen.

  • N
    Nachfrager

    "Das ägyptische Volk fordert eine härtere Gangart gegenüber Israel"

     

    Ich vermisse in dem Beitrag ein Argument, welches diese Aussage belegt. Woran lässt sich festmachen, dass zumindest eine deutliche Mehrheit in Ägypten solches aktiv fordert?

  • S
    Steffi

    Noch dämlicher gehts nicht mehr? Was haben denn bitte diese Israelis mit dem Angriff zutun? Es wird doch auch nicht Leuten die mit deutschen, amerikanischen usw.Bürgern verheiratet sind, diese entzogen, weil deren Militär irgendwas falsch machen. Will man in Ägypten bald die Einteilung bei den Kindern nach Halb/Vierteljuden machen oder wie. Deutschland 33-45 als Vorbild?

  • S
    Stefan

    Vielleicht sollten wir uns einfach nicht mehr um den aufgebrachten Mob der arabischen Straßen kümmern.

  • EA
    Eser A.

    Unverschämt und absolut unvernünftig.

     

    Ich bin ebenfalls Pro-Palästina, ABER nur solange kein Hass gegen Israel geschürt wird. Es gibt viele Israelis, die ebenfalls diese militante Außenpolitik Israels kritisieren, doch diese Regelung treibt alles auf die Spitze. ich bin sprachlos...

  • H
    hamsa

    super vorschlag. im gegenzug könnte ja die bundesreüublik allen frauen die mit einem ägypter verheiratet sind, die staatsbürgerschaft zu entziehen :-)

  • BS
    Bernhard Ströbel

    angst, hass und verblendung regiert israel. Jenseits aller Menschlichkeit hat das Land (die Regierung) gezeigt wozu es fähig ist. Israel als Atom-Macht - nicht auszudenken. Aber nach wie vor wird die Regierung von europäischen Ländern und vor allem den USA unterstützt - mit Geld - mit Waffen - mit Moral. Dieser Zynismus ist nicht mehr zu überbieten. Ich wünsche mir daß die israelische Bevölkerung sich gegen eine solche Regierung auflehnt und merkt, daß das Land sonst in die Isolation schlittert. Möge Einsicht, Friede und Weisheit unter allen Völkern herrschen.

  • NF
    ned flanders

    Perfekt, am besten noch "tötet die Juden" brüllende Demonstranten. Dann ist der Schulterschluss Europas mit den armen Opfern wider hergestellt.

    Danke, islamische Massen.

  • S
    Sebastian

    Dann müsste man doch eigentlich gegen Ägypten vorgehen können oder?

  • U
    uwe

    " "Das Ganze ist eine Augenwischerei, um den Unmut der Bevölkerung gegenüber Israel auf harmlose Art zu kanalisieren", folgert der Politologe."

     

    Und dennoch wäre es Rassismus ihnen die Staatsbürgerschaft zu entziehen.

     

    Aber in sowas haben die Ägypter ja mit der Unterdrückung der Kopten schon Erfahrung...

  • MG
    M G

    IV. Im Zuge der Endlösungsvorhaben sollen die Nürnberger Gesetze gewißermaßen die Grundlage bilden, wobei Voraussetzung für die restlose Bereinigung des Problems auch die Lösung der Mischehen- und Mischlingsfragen ist.

    [...]

    3) Ehen zwischen Volljuden und Deutschblütigen.

     

    Von Einzelfall zu Einzelfall muß hier entschieden werden, ob der jüdische Teil evakuiert wird, oder ob er unter Berücksichtigung auf die Auswirkung einer solchen Maßnahme auf die deutschen Verwandten dieser Mischehe einem Altersghetto überstellt wird.

     

    (Wannsee-Protokoll Kapitel IV, Punkt 3)

     

    Gibt es das schon auf ägyptisch? Dann können die sich eine Menge Verwaltungsarbeit beim Aufsetzen einer neuen Verordnung ersparen.