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Ägäis–Konflikt abgeschwächt

■ Ölsuche nur noch in türkischen Gewässern / NATO rief zu Zurückhaltung auf / Griechische Truppen weiter in Alarmbereitschaft / Türkei moderat wegen gewünschtem EG–Beitritt

Berlin (ap/afp/taz) - Der vor wenigen Tagen entflammte Konflikt in der Ägäis scheint weitgehend beigelegt. Der türkische Ministerpräsident Turgut Özal erklärte am Samstag in London, die Türkei werde kein Ölbohrungsschiff in die zwischen der Türkei und Griechenland umstrittenen Ägäis–Gewässer schicken, solange sich auch Griechenland daran halte. Der griechische Ministerpräsident Andreas Papandreou drückte am Samstag „verhaltenen Optimismus“ aus, daß die Spannungen mit der Türkei offenbar abgeebbt seien. Noch am Tag zuvor war in beiden Ländern ein Krieg für möglich gehalten worden. Anlaß war eine Entscheidung der türkischen Regierung gewesen, das Forschungsschiff „Sismik I“ in die Nähe der griechischen Inseln Limnos und Lesbos zu entsenden, um dort Untersuchungen nach Erdöl durchzuführen. Gleichzeitig war der türkischen Gesellschaft TPAO das Schürfrecht im Bereich dieser Inseln zugestanden worden. Papandreou, der dieses Gebiet als zu Griechenland gehörig ansieht, hatte daraufhin gedroht, das Schiff anzugreifen, sowie es in das Gebiet einlaufe. Die Türkei hatte daraufhin beschlossen, das Schiff von türkischen Zerstörern begleiten zu lassen. Das Militär war in beiden Ländern in Alarmzustand versetzt worden. Freitag abend hatte Papandreou die Schließung der US–Basis Nea– Makri in der Nähe von Athen ver fügt. Von Nea Makri aus wird der Schiffsverkehr in der Ägäis beobachtet. Die Griechen befürchteten offenbar, daß diese Beobachtungen an US–Basen in der Türkei weitergegeben werden könnten. Beunruhigt von der Vorstellung eines Kriegs zwischen zwei NATO–Mitgliedern hatten die Botschafter der NATO–Mitgliedsländer am Freitag eine Sondersitzung abgehalten und danach einen Appell an beide Länder zur Beilegung des Konflikts herausgegeben. Auch die US–Regierung soll sich in die Bemühungen eingeschaltet haben. Die „Sismik I“, die am Samstag die Dardanellen verlassen hatte, hat unterdessen in türkischen Hoheitsgewässern, im Golf von Saros, seismologische Untersuchungen aufgenommen, von türkischen Kriegsschiffen begleitet und von Griechenland aus mißtrauisch beäugt. Das griechische Heer war am Sonntag nach wie vor in Alarmzustand, jedoch war die Anordnung zur Schließung von Nea–Makri am Samstag zurückgenommen worden. Griechenland beharrt darauf, seine Territorialgewässer gemäß der Seerechtskonvention der UNO von sechs auf zwölf Meilen um jede seiner rund 2.000 Ägäis– Inseln auszudehnen. Die Türkei, die die Konvention nicht unterzeichnet hat, vertritt hingegen den Standpunkt, daß es in der Ägäis keine Zwölf–Meilen–Zone geben könne. Nach griechischer Auffassung müßten demnach 71,5 Prozent der Ägäis griechisches Hoheitsgebiet sein, während auf die Türkei 8,8 Prozent und auf internationale Gewässer 19,7 Prozent entfielen. Derzeit gehören 43,7 Prozent der Ägäis zu Griechenland und 7,5 zur Türkei. Strittig ist darüber hinaus die Frage nach der Ausdehnung des jeweiligen Festlandsockels. Nachdem die Griechen 1973 nahe der Insel Thassos auf Öl gestoßen waren, hatte die Türkei 1975/76 bereits die „Sismik I“ in die umstrittenen Gewässer entsandt. Dabei wäre es beinahe zu einem Krieg zwischen beiden Ländern gekommen. 1976 hatten sie sich im „Berner Abkommen“ darauf geeinigt, in den umstrittenen Gebieten vorläufig nicht nach Öl zu suchen. 1981 waren die Verhandlungen um einen Kompromiß jedoch gescheitert. Während Griechenland die Angelegenheit vor den Internationalen Gerichtshof in Den Haag bringen will, fordert die Türkei bilaterale Verhandlungen. Diese Auffassungen bestätigten die Regierungsvertreter am vergangenen Wochenende. Zur Eindämmung des Konflikts mag neben den Bemühungen der NATO und der US– Regierung auch der türkische Wunsch nach einer EG–Mitgliedschaft beigetragen haben: Aus London erklärte Premierminister Özal am Samstag, seine Regierung werde bald, vielleicht schon in dieser Woche, einen offiziellen Antrag auf Mitgliedschaft stellen. Da machen sich Spannungen mit einem anderen EG–Mitglied natürlich nicht gut.

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