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ÄTHIOPIEN HAT ERITREA IM GRENZKRIEG MILITÄRISCH BESIEGTSozialdarwinismus in Afrika

Ausbluten lassen. Das ist die neue Devise der Welt gegenüber Afrikas Kriegen: Soll doch einfach jemand gewinnen. Äthiopien hat den zweijährigen Grenzkrieg gegen Eritrea offenbar vorläufig gewonnen, und ein hörbares Aufatmen geht durch die internationale Diplomatie. Was für ein kluger eritreischer Schachzug, einfach so die Waffen zu strecken, heißt es aus der eritreischen Hauptstadt Asmara; nun gibt es dank der äthiopischen Überlegenheit kein Hindernis mehr für einen Friedensschluss, freuen sich die Beobachter in der äthiopischen Hauptstadt Addis Abeba. Was zählen da schon die dutzenden zerstörten Ortschaften, die zehntausenden Toten und Verwundeten und die hunderttausenden Flüchtlinge.

Dass sich hier wieder einmal ein abgrundtiefer internationaler Zynismus gegenüber Afrika breitmacht, ist nicht neu; seine Beständigkeit macht diesen Zynismus jedoch nicht moralischer. Dies ist Realpolitik pur, und zwar von der trostlosesten Sorte – nämlich eine, der ihr eigenes Ergebnis völlig egal ist. Der antikoloniale Schlachtruf „Afrika den Afrikanern“ wendet sich gegen den Kontinent: Sollen die Afrikaner doch ihre Konflikte selbst lösen – oder eben auch nicht. Wenn sie sehr, sehr brav sind, ja dann kann man ihnen vielleicht ein bisschen Aufmerksamkeit schenken. Aber genauso wie kluge Banken nur solchen Leuten Geld leihen, die schon welches haben, so greift das Ausland nur noch in solche afrikanischen Krisen ein, die schon gelöst sind. Es ist eine gängige Bedingung für die Entsendung von UN-Truppen in ein afrikanisches Krisengebiet, dass sie erst dann kommen, wenn die Kriegsparteien schon friedlich sind. Dies gilt auch für Konflikte, in denen es bereits einen international ausgehandelten Friedensplan gibt, dessen Umsetzung gewährleistet werden müsste.

Dass dies eigentlich ein nicht zu rechtfertigendes Vorgehen ist, müsste spätestens seit 1994 bekannt sein, als die Welt in Ruanda erst dann eingriff, als der Völkermord schon zu Ende war, obwohl seit 1993 ein unterschriebener, international garantierter Vertrag für die Beendigung der innenpolitischen Konflikte Ruandas vorlag. Damals zeigte sich, dass es der Welt letztendlich egal war, wie Ruandas Machtkämpfe ausgehen und mit welchen Mitteln sie ausgetragen werden. Auch hier lautete die Devise: Soll doch einfach jemand gewinnen. Wer, war egal.

Bei Äthiopien und Eritrea geht es nicht um einen inneren Konflikt, sondern um einen Krieg zwischen zwei Nachbarstaaten, aber die internationale Reaktion ist ähnlich. Seit November 1998 gibt es einen internationalen Friedensplan, um dessen Umsetzung sich aber die einst zur Vermittlung angetretenen USA und OAU (Organisation Afrikanischer Einheit) genausowenig gekümmert haben wie die Kriegsparteien selbst. Nun hat jemand gewonnen. Aber wer meint, zwischen Äthiopien und Eritrea werde nun Frieden einkehren, ist naiv, und zwar nicht nur weil Äthiopien bisher keinen Grund zur Einstellung der Kämpfe sieht. Der Grenzkonflikt an sich ist nicht gelöst, geschweige denn die tieferen Ursachen dieses Krieges, die in persönlichen Rivalitäten, strategischen Ängsten, widerstreitenden Auffassungen von der Bedeutung verschiedener Territorien und komplexen wirtschaftlichen Streitereien zu suchen sind. Indem internationale Beobachter diesen Krieg routinemäßig als „sinnlos“ bezeichnen – worüber sich beide Kriegsparteien zu Recht beklagen – geben sie bloß ein Urteil über sich selbst ab: nämlich dass sie weder daran interessiert noch dazu fähig sind, einen politischen Beitrag zum Frieden zu leisten.

Gibt es eine Alternative? In Sierra Leone exerziert Großbritannien gerade ein Gegenmodell durch. Aber die Militärintervention britischer Kampftruppen in Sierra Leone, die in eine mehrjährige Phase des Aufbaus einer ordentlichen Regierungsarmee münden soll, führt das Land nicht in den Frieden, sondern in den Krieg. Dieser Krieg wird andauern, wenn die Briten längst wieder weg sind – mit vielen schönen neuen Waffen, die sich Sierra Leone sonst nie hätte leisten können. Hier wird dem Ausbluten lediglich nachgeholfen.

So bleibt Afrika nur die brutale Gewissheit eines internationalen Sozialdarwinismus. Pech für die Opfer des nächsten Konflikts irgendwo in Afrika, denen man vermutlich ebenso wie den Äthiopiern und Eritreern vorwerfen wird, aus schwer nachvollziehbaren Gründen gestorben zu sein. DOMINIC JOHNSON

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