Achtung, umdenken: Kohle und Öl sind Bodenflüche: Zur Sache, Schätzchen!
Wir retten die Welt
von Bernhard Pötter
S chatz, gibst du mir bitte mal die Butter?“ „Aber gern, Schatzi, hier.“ „Was macht eigentlich unser kleines Schätzchen?“ „Sie schläft noch. Die Reitstunde nach dem Klavierunterricht und dem Intensivkurs Chinesisch war doch arg anstrengend.“
Wenn Sie sich jetzt schamhaft abwenden, weil dieser Dialog so auch an Ihrem Frühstückstisch stattfindet, gibt es einen Trost: Sie sind nicht allein. 36 Prozent aller Deutschen, die in einer Beziehung leben, nennen ihre Partnerin oder ihren Partner „Schatz“, „Schatzi“ oder so ähnlich. Schlimm genug. Aber das dirty S-Word bekommt jetzt Probleme. Weil das Private ja politisch ist, muss Schluss sein mit Schatz. Zumindest, wenn es um Rohstoffe geht.
Denn die Rede von Boden-„schätzen“ verbietet sich bei Kohle, Erdöl, Erdgas, Uran, Blei, Kupfer, Gold, Silber, Diamanten und so ziemlich allem, wonach wir mit viel Aufwand und Geld in der Erde buddeln. Die Stoffe gelten seit Jahrhunderten als Glücksfall für ihre Finder, aber das war eigentlich immer eine Lüge. Gut, sie haben uns die Häuser warm gehalten und die Industrialisierung befeuert, die uns so reich gemacht hat, wie es früher nicht mal Könige waren. Aber nicht ohne Grund sprechen Experten vom „Ressourcenfluch“, wenn Staaten mit großen Rohstoffvorkommen in Chaos und Korruption versinken, weil das schnelle Geld aus dem dreckigen Stoff alles dominiert.
Die Ausbeutung (!) von Gold- und Silberminen hat schon immer die Gier angestachelt und Menschen und Umwelt vergiftet – da ist es nur konsequent, Kohle und Öl als „schwarzes Gold“ zu bezeichnen, das uns fertigmacht. Diese Boden-Schätzchen verpesten die Atmosphäre, heizen das Klima auf, spucken Schadstoffe in unsere Atemluft und unser Wasser und verhindern, dass saubere Energien sich durchsetzen. Kohle, Öl und Gas sind keine Bodenschätze, sondern Bodenflüche.
Dankenswert klar machen das jetzt die Umweltschützer von Greenpeace mit ihrer Idee, die Braunkohle-Abteilung von Vattenfall zu übernehmen. Und zwar nicht, indem sie zwei Milliarden Euro bezahlen, wie es die tschechischen Kohlekonzerne vorschlagen. Sondern nur, wenn sie noch zwei Milliarden dafür bekommen. Denn die Braunkohle ist kein Schatz, sondern ein Klotz am Bein – sie darf nicht verbrannt werden, wenn wir den Planeten nicht weiter schön kross toasten wollen, und es braucht viel Geld, um die Angestellten zu entschädigen, die Tagebaue zu Seen zu machen und die Schäden aus der Braunkohle zu bekämpfen.
Der Begriff „Bodenschatz“ sollte also in den Lehrbüchern durch „Bodenfluch“ ersetzt werden. Die grauen Rhomben und schwarzen Kreise, die im Schulatlas Kohlereserven und Ölvorräte anzeigen, sollten gelbe Totenköpfe als Warnhinweis bekommen: um zu zeigen, dass wir die Erde auf diese Weise brandschatzen. Und um zu verhindern, dass sich auch die nächsten Generationen mit diesen Bodenflüchen gewaltig verschätzen.
Akzeptabel ist der Begriff dann nur noch in folgendem Zusammenhang beim Frühstück: „Ups, jetzt ist mir die Butter runtergefallen. Wo ist sie?“ „Auf dem Boden, Schatz!“
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