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Archiv-Artikel

Achtung: ansteckend!

Bundeswehr macht sich lächerlich: Soldaten dürfen Hotel im Homoviertel nicht mehr buchen

VON JAN FEDDERSEN

Soldaten machen Dienstreisen, auch über Nacht – und schlafen dann nicht immer in Kasernen. Die Bundeswehr hat, wie jeder Konzern, ein Verzeichnis von Herbergen für ihre Angehörigen. Von dieser Liste getilgt wurde nun ein Hotel in der Kölner Innenstadt – die ein einziges Homoviertel ist. Die inkriminierte Schlafstätte befände sich, wie über eine Mitteilung des Petitionsausschusses des Bundestags bekannt wurde, in fußgängerischem Nahbereich von Schwulenkneipen. Dies sei, befand das Verteidigungsministerium offenbar, des Zumutbaren zu viel.

„Negative Auswirkungen auf das Ansehen der Bundeswehr sollen so vermieden werden“, hieß es in einem Schreiben aus dem Ministerium. Beschwert hatte sich der Hoteleigner, dessen Buchungszahlen durch den Rückzug der Militärs empfindlich sanken.

Was aber genau die „negativen Auswirkungen“ für den Ruf der Bundeswehr sein könnten, bleibt einstweilen offen; die Hardthöhe hält sich bedeckt, zu einer offiziellen Stellungnahme ließ sie sich nicht bewegen. Dem Vernehmen nach aber, wird erläutert, befände sich die Herberge in einem Viertel, das über wenig Parkraum verfüge. Dienstreisende Bundeswehrangehörige hätten dort zu Fuß zur Schlafstatt („in Uniform“) gehen müssen. „Die Präsenz von Angehörigen der Bundeswehr in diesem einschlägigen Viertel“ werde so „Dritten gegenüber vermittelt“. Und das heißt wohl: Die Bundeswehr möchte einerseits eine Behörde mit „Staatsbürgern in Uniform“ sein, andererseits sich nicht den Leumund zuziehen, so sehr im Jahr 2006 angekommen zu sein, dass man die Nähe homosexueller Infrastruktur für durch und durch okay hält.

Mit anderen Worten: Die Bundeswehr spielt ein doppeltes Spiel. Während der rot-grünen Ära auf der Hardthöhe konnte ein Erlass durchgesetzt werden, demzufolge homosexuelle SoldatInnen nicht diskriminiert werden dürfen. Der Wehrbeauftragte hat sogar Order, solche Fälle sorgfältig zu prüfen – und nötigenfalls höheren Orts zur Ahndung vorzulegen: Homophobie ist in den Streitkräften verboten. Besonders obskur, dass zeitgleich zum Spiegel-Artikel, mit dem die delikate Angelegenheit ruchbar wurde, auf dem Berliner CSD in der Parade ein Wagen von Angehörigen der Bundeswehr mitrollte – Werbematerial für diese Institution verteilend.

Möglicherweise wird dieser Fall zu einem für das neue Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz: Der Hotelier könnte klagen – Diskriminierungen wegen der sexuellen Orientierung sind untersagt. Und um eine solche muss es sich handeln, Beanstandungen gegen den Service oder die Betten jener Herberge sind ausdrücklich nicht notiert worden. Worum es sonst gegangen sein könnte? Wahrscheinlich um das alte Phantasma, die Nähe zu einem schwulen Ort könnte ansteckend wirken – als Strahlung durch die Schaufenster und Uniformstoffe hindurch, zum, so wird wohl spintisiert, Schaden der Soldaten, die bitte sehr doch heterosexuell bleiben mögen und deshalb vor schwuler Infektion bewahrt werden müssen.

Ließe man sich auf diese Logik ein, müsste die Bundeswehr ihre homosexuellen Angehörigen künftig davor bewahren, in Pensionen untergebracht zu werden, die in heterosexuell gefütterten, rotlichtnahen Bezirken liegen, beispielsweise in Sichtweite von Bordellen – schwule oder lesbische SoldatInnen hätten ebenso das Recht, vor Heterosexpropaganda geschützt zu werden.

Eine Perspektive, die sich das Verteidigungsministerium wohl nicht zu Eigen machen wird: Die Schwulen und Lesben in ihren Reihen sollen allenfalls ertragen werden – als Normfall gilt aber wie eh und je die Heterosexualität, auf die sich die Truppe wohl noch viel zugute hält.