Acht Rezepte für die Zukunft: Tschüß, Finanzkrise!
Auch wenn keine Patentrezepte existieren - strukturelle Änderungen könnten einem Finanzcrash vorbeugen. Derzeit kursieren verschiedene Vorschläge. Die taz untersucht acht davon.
Ein schon realisierter Vorschlag: Die Bundesfinanzaufsicht (BaFin) hat "ungedeckte Leerverkäufe" bis zum Jahresende verboten. Denn auch in der Krise können Spekulanten reich werden - indem sie auf fallende Aktienkurse wetten. Beim klassischen Leerverkauf leiht sich ein Spekulant die Aktie und veräußert sie sofort weiter - um sie später wieder zurückzukaufen, wenn die Leihfrist ausläuft. Sind die Kurse inzwischen gefallen, kann er die Differenz als Gewinn einstreichen. Und schön für den Spekulanten: Wahrscheinlich geben die Kurse tatsächlich nach - gerade eben weil so viele Leerverkäufer ihre Aktien gleichzeitig veräußern. Noch rentabler kann es sein, die Aktie zu verkaufen, ohne sie vorher zu leihen. Das sind die "ungedeckten Leerverkäufe", die jetzt verboten wurden. Denn mit diesem Trick können kurzfristig mehr Verkaufsorder platziert werden, als Aktien im Umlauf sind - bei diesem gezielten Überangebot ist der Kurssturz dann nicht mehr aufzuhalten. 11 Finanztitel stehen auf der BaFin-Liste - dazu gehören Commerzbank, Deutsche Bank, Postbank, Deutsche Börse und Allianz.
Wirkung: Experten sind skeptisch, ob das Verbot wirkt: Wer unbedingt gegen deutsche Finanztitel wetten wolle, müsse nur an eine ausländische Börse ausweichen. In den USA war man radikaler: Dort dürfen rund 900 Aktien nicht mehr leer verkauft werden. UH
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Vorschlag: Die Rating-Agenturen dürfen nicht mehr völlig unkontrolliert agieren. Da sind sich alle einig. Die Vorschläge reichen von Selbstkontrolle (Kanzlerin Merkel) über öffentliche Aufsicht (Grüne) bis hin zur Verstaatlichung dieser Aufgabe (Linke).
Wirkung: Die Funktion der Rating-Agenturen ist unersetzlich. Denn auf dem unübersichtlichen Kapitalmarkt muss es Institutionen geben, die die Güte von Finanzprodukten bewerten. Bisher waren hier drei Agenturen führend, die über eine Art weltweites Monopol verfügten: Standard & Poors, Moodys und Fitch. Noch schlimmer: Meist haben die Banken für die Ratings ihrer eigenen Produkte gezahlt - es war also nicht zu erwarten, dass die Rating-Agenturen ihre Kunden mit allzu negativen Bewertungen verärgern würden. Stattdessen erhielten selbst Ramschanleihen die höchste Bonitätsnote. Diese enge Verquickung von Interessen soll nun politisch gesprengt werden. Allerdings stellt sich die Frage, wer künftig für die Ratings zahlen soll - wenn es nicht mehr der Ausgeber der jeweiligen Finanzprodukte sein soll. Attac hat vorgeschlagen, einen Fonds zu gründen, in den alle Nutzer der Ratings einzahlen sollen.
Realisierungschancen: Keine Frage, es wird zu einer gewissen Kontrolle der Rating-Agenturen kommen. Schließlich befinden sie sich längst in der unbequemen Rolle des obersten Sündenbocks. UH
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Der Vorschlag: Die große Koalition in Berlin verhandelt darüber, wie die oft astronomischen Gehälter von Vorständen limitiert werden könnten. Union und SPD scheinen sich einig zu sein, dass künftig nicht mehr nur ein kleiner Ausschuss des Aufsichtsrates über die Vergütung der Chefs entscheidet, sondern das gesamte Gremium. Damit wären die Vertreter der Arbeitnehmerseite stärker an der Entscheidung beteiligt. Außerdem will man die Bezahlung der Manager mit Aktienoptionen neu regeln. Die Optionen sollen längerfristig ausgerichtet und nicht nach zwei, sondern erst nach drei Jahren eingelöst werden können.
Wirkung: Die Debatte hat mit der Finanzkrise nichts zu tun. Sie begann mit Porsche-Chef Wendelin Wiedeking, der dank Aktienoptionen im zurückliegenden Geschäftsjahr rund 60 Millionen Euro verdiente. Die Verlängerung der Einlösungsfrist könnte zur Folge haben, dass sich die Chefs mehr an der langfristigen Entwicklung ihres Unternehmens orientieren. Dies halten viele Kritiker für wünschenswert. Eine Begrenzung der Managergehälter in ihrer absoluten Höhe will die Koalition nicht. Dies fordert die Linkspartei.
Realisierungschancen: Eine Regelung könnte in diesem Herbst kommen. Wie streng sie sein wird, ist noch nicht entschieden. Sowohl Union als auch SPD wünschen sich ein Zeichen gegen die soziale Polarisierung der Gesellschaft. KOCH
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Vorschlag: Banken müssen sich am Risiko stärker beteiligen, wenn sie Wertpapiere verkaufen. Charly McCreevy, der EU-Kommissar für den Binnenmarkt, will durchsetzen, dass Verkäufer 5 Prozent der Papiere in der eigenen Bilanz behalten müssen und nur 95 Prozent veräußern dürfen. Finanzminister Peer Steinbrück (SPD) fordert, dass Banken mehr eigenes Kapital in Reserve halten müssen, wenn sie risikoreiche Geschäfte tätigen.
Wirkung: Bisher konnten Finanzinstitute risikoreiche Investmentpapiere entwickeln und sie in Paketen veräußern. So wurde das Risiko gebündelter Kredite vollständig weitergereicht - oft an unwissende Investoren. Das wäre künftig nicht mehr möglich. Weil die Institute immer einen Teil selbst behalten und zugleich ihre Reserven aufstocken müssten, hoffen McCreevy und Steinbrück, würden Investoren vorsichtiger.
Realisierungschancen: Der Bundesverband deutscher Banken kritisiert die Regelung ebenso wie die europäischen Bankenverband. Die großen Privatinstitute fühlen sich dadurch gegängelt. Sie könnten weniger Kredite an Unternehmen vergeben. Die Kritik der Banken ist angekommen, McCreevy hat den Anteil des notwendigen Eigenkapitals auf 5 Prozent abgesenkt. Vorher waren 10 Prozent im Gespräch. Dass die Banken mehr Sicherheiten bieten müssen als bisher, ist auf europäischer Ebene aber wahrscheinlich. KOCH
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Vorschlag: Bundesfinanzminister Steinbrück hat angeregt, auch die ausländischen Ableger einer Bank in die Bilanz des Instituts einzubeziehen. Wirkung: Die Aufsichtsbehörden könnten sich einen Überblick über alle Geschäfte der Institute verschaffen. Bislang war das nicht möglich. So betrieb die Sächsische Landesbank ein sogenanntes Investment Vehicle in Irland, das Milliarden Euro in minderwertigen US-Hypotheken-Papieren anlegte. Unter anderem durch die bilanzielle Trennung der Institute blieb dies den Aufsehern verborgen. Als beim Ableger in Irland riesige Verluste aufliefen, musste die Sächsische Landesbank dafür geradestehen. Nur mit Mühe und Milliardenbürgschaften des Landes Sachsen konnte das Institut vor dem Exitus bewahrt werden. Existierte in solchen Fällen nur eine Bilanz, würde es den Bankern schwerer fallen, Risiken in ausländischen Tochterunternehmen zu verstecken.
Realisierungschancen: Bisher ist viel diskutiert, aber wenig beschlossen worden. Aus der EU-Kommission in Brüssel ist zu hören, dass man noch dieses Jahr zu einem Abschluss kommen will. Traditionell hat die britische Regierung wenig Interesse daran, die Aktivitäten der Banken und Finanzinstitute zu sehr zu regulieren. Grund der Skepsis: In London sitzen viele Geldhäuser, die auf dem unregulierten Markt unterwegs sind. Was am Ende tatsächlich herauskommen wird, ist allerdings noch völlig offen. KOCH
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Vorschlag: Transnational tätige Banken sollen neue staatliche Aufsichtsgremien bekommen. Das hat das Financial Stabilility Forum vorgeschlagen, in dem die Vertreter von Notenbanken und Aufsichtsbehörden sitzen. EU-Binnenmarkt-Kommissar McCreevy und Bundesfinanzminister Peer Steinbrück unterstützen das Vorhaben. In Europa würden 40 bis 50 Banken sogenannte Aufsichtskollegien zur Seite gestellt, die mit Vertretern von Finanzaufsicht, Zentralbanken und Finanzministerien verschiedener Länder besetzt sind.
Wirkung: Bisher kontrolliert die deutsche Aufsicht die deutschen Banken, die französische Aufsicht die französischen Institute, in anderen Ländern ist es ähnlich. Eine einheitliche und übergreifende europäische Bankenaufsicht existiere nicht, kritisiert unter anderem Gerhard Schick, finanzpolitischer Sprecher der Grünen im Bundestag. Dank der neuen Aufsichtskollegien wäre eine bessere Koordination und Früherkennung von Risiken möglich.
Realisierungschancen: Die neuen Aufsichtskollegien werden grundsätzlich kommen. Allerdings gibt es noch jede Menge offene Baustellen, viele Details sind bislang ungeklärt, erst im Herbst will die EU eine Einigung vorlegen. Auch diese wäre aber nur ein erster Schritt zu einer besseren Koordinierung. Die Gründung einer wirksamen europäischen Bankenaufsicht, wie sie beispielsweise die Grünen fordern, ist Zukunftsmusik. Das räumt auch Finanzminister Steinbrück ein. KOCH
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Vorschlag: Auch die Hedgefonds und Private-Equity-Fonds sollten stärker kontrolliert werden. Denn bisher unterliegen diese hochspekulativen Fonds keinerlei Bankenaufsicht. Diese Idee hat zahlreiche Unterstützer: vom EU-Parlament bis zu den Gewerkschaften, von den Linken bis zu Finanzminister Peer Steinbrück (SPD). Allerdings ist der Vorschlag nicht neu. Schon bevor die Finanzkrise im vergangenen Sommer ausbrach, hatte Steinbrück die Hedgefonds als "systemisches Risiko" ausgemacht und schärfere Kontrollen angemahnt.
Wirkung: Zur Ehrenrettung der Hedgefonds sei festgehalten: Sie haben die Finanzmärkte nicht in die Krise gestürzt. Die Hauptschuldigen sind die klassischen Banken. Das liegt auch an den Volumina: Weltweit dürften 9.000 Hedgefonds über ein Anlagekapital von 1,6 Billionen Dollar verfügen. Allein die US-Hypothekenbanken Fannie Mae und Freddie Mac brachten es auf über 5 Billionen Dollar. Allerdings versuchen auch die Hedgefonds von der Krise zu profitieren: So wurde am Mittwoch bekannt, dass der US-Hedgefonds-Manager John Paulson mit 1,3 Milliarden Euro gegen britische Bankhäuser spekuliert.
Realisierungschancen: Beim G-8-Gipfel 2007 in Heiligendamm ist die Bundesregierung damit gescheitert, einen Verhaltenskodex für Hedgefonds durchzusetzen - obwohl er freiwillig sein sollte. Nun, in der Krise, stehen die Chancen besser, dass auch Großbritannien und die USA einlenken. UH
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Vorschlag: Wie der Handel mit normalen Gütern, so sollten auch Spekulationsgeschäfte besteuert werden. Grüne, Linke und die Globalisierungskritiker von Attac fordern eine Börsenumsatzsteuer sowie eine weiterentwickelte Tobin-Steuer, die bei Währungsgeschäften anfallen würde.
Wirkung: Wenn jedes Spekulationsgeschäft mit einer Steuer belegt ist, würden sich viele Finanzaktionen nicht mehr lohnen, weil die Gewinnmargen zu klein sind. Gerade kurzfristige Geschäfte würden unattraktiv, die jetzt für viel Unruhe an den Finanzmärkten sorgen. Einen Haken haben diese Vorschläge allerdings: Sie hätten die jetzige Finanzkrise nicht verhindern können. Denn der Handel mit Schrottpapieren fand vor allem innerhalb des Währungsraums des Dollars statt und wäre durch eine Tobin-Steuer auf Devisengeschäfte nicht erfasst worden. Zudem wurden die Papiere direkt von Bank zu Bank vertrieben, so dass eine Börsenumsatzsteuer ebenfalls nicht angefallen wäre. Bester Beweis, dass eine Börsenumsatzsteuer nichts bringt, um eine Finanzkrise zu verhindern: Die USA haben diese Steuer bereits. Der grüne Finanzexperte Gerhard Schick fordert daher, eine Umsatzsteuer auf alle Finanzprodukte zu erheben - unabhängig von Währung und Handelsplatz.
Realisierungschancen: äußerst gering. Aber die Debatte darüber ist schon ein Fortschritt. Noch vor einem Jahr wäre eine umfassende Finanzsteuer als völlig irre abgetan worden. UH
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