Abwasser: Gully-Gestank stinkt den Berlinern
Ingenieure der Technischen Universität suchen nach einem Mittel gegen den sommerlichen Gestank aus Gullys. Dafür soll nun im Auftrag der Wasserbetriebe eine Forschungsanlage gebaut werden.
Jeden Sommer dasselbe: Sobald die Temperaturen steigen, strömt ein unangenehmer Geruch aus den Berliner Gullys. Zahlreiche Bürger beschweren sich bei den Berliner Wasserbetrieben, die dem Gestank nun mit Hilfe von Wissenschaftlern der Technischen Universität Berlin entgegentreten wollen. Um Geruchsbildung und mögliche Lösungen zu erforschen, konzipierten die TU-Ingenieure zusammen mit der Materialprüfungsanstalt MPA Berlin-Brandenburg GmbH eine Forschungsanlage. Der Bau der Anlage wird nun von den Wasserbetrieben ausgeschrieben, die das 340.000 Euro teure Projekt vorerst bis März 2010 finanzieren.
Das Problem mit den Stinke-Gullys rührt daher, dass ehemals das Berliner Kanalsystem für größere Mengen Abwasser konzipiert wurde. "Durch wassersparende Technik sinkt der Wasserverbrauch jedoch seit gut 20 Jahren", erklärt Stephan Natz, Sprecher der Wasserbetriebe. Die Abwässer müssen daher stellenweise in Druckrohrleitungen gesammelt werden, bis sie weitergepumpt werden können. Verweilt das Wasser länger in den Kanälen, führen die sauerstoffarmen Bedingungen zu chemischen Reaktionen. Es bildet sich Schwefelwasserstoff.
"Die sommerlich erhöhten Temperaturen fördern die chemischen Prozesse", sagt Stefan Rettig, wissenschaftlicher Mitarbeiter an der TU. Tritt das Wasser aus den Druckrohrleitungen wieder in Kanalabschnitte mit natürlichem Gefälle, führt der Kontakt mit Sauerstoff zur Freisetzung des Schwefelwasserstoffs. Das nach faulen Eiern riechende Gas steigt die Gullyschächte hinauf und verursacht den unangenehmen Gestank, bei dem die Berliner die Nase rümpfen.
"Wir registrieren einschlägige Orte in einem Kanal-Stinke-Kataster", erklärt Natz von den Wasserbetrieben, "so können wir bei Belästigungen schnell eingreifen." Bereits jetzt verfügt das Unternehmen über verschiedene Verfahren. Ist die Belästigung akut, können duftende Gelmatten ähnlich einem "Kanal-Deo" in die Schächte gehängt werden. Weitere Möglichkeiten sind, die Rohre mit Hochdruck auszuspülen oder dem Abwasser Salze beizumischen, die Fäulnisprozesse wie die Bildung von Schwefelwasserstoff hemmen.
Diese Verfahren sind jedoch sehr teuer. "Wir erhoffen uns von dem Projekt mit der TU eine vernünftige Online-Technik", so Natz, "mit deren Hilfe wir genaue Werte ermitteln und so etwa Salze besser dosieren können." Die Versuchsanlage der Wissenschaftler wird auf dem Gelände der Wasserbetriebe ein möglichst genaues Abbild der realen Bedingungen im Kanalnetz schaffen. In einem Fermentor wird die Situation in den Druckrohrleitungen nachgestellt, zwei 25 Meter lange Rohre bilden anschließend den Freigefällekanal.
"Wir werden Proben entnehmen und die flüssigen und gasförmigen Phasen der chemischen Prozesse im Versuchsaufbau untersuchen", erklärt Rettig. "Wir suchen aber auch nach planerischen Lösungen." Gemeint sind etwa Kanäle, die den Wasserlauf beruhigen, so dass die Freisetzung von Schwefelwasserstoff vermindert wird. Und natürlich der faule Geruch.
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