Abwahlantrag gegen Hertha-Vorstand: Hertha sucht Sündenböcke

Am Samstag muss Hertha gegen Frankfurt ran. Doch zur Sache geht es am Montag. Auf der Mitgliederversammlung gibt es einen Abwahlantrag gegen den Vorstand.

Trainer Friedhelm Funkel muss am Samstag gegen Frankfurt gewinnen. Für Hertha-Chef Gegenbauer geht es am Montag ums Überleben Bild: dpa

Auch am Samstag beim Heimspiel gegen Eintracht Frankfurt werden die Hertha-Anhänger vermutlich jedes noch so zaghafte Schüsschen beklatschen und jeden noch so unbeholfenen Befreiungsschlag bejubeln. Trotz all des Frusts hat das Publikum in den vergangenen Wochen viel Gespür für die labile Seele seines Teams entwickelt. Zur Konstante sind bei Hertha BSC lediglich die Niederlagen und der letzte Tabellenplatz geworden. Seit über zwei Monaten schon sitzt der Verein, der im Mai noch um die Deutsche Meisterschaft mitspielte, am Tabellenende fest.

Am Montag wird auf der mit Spannung erwarteten Mitgliederversammlung die Zeit der Rücksichtsnahme aber jäh enden. Schrille Reden und unflätige Beschimpfungen kennt man schon von den regelmäßigen Hertha-Treffen im Internationalen Congress Centrum (ICC). Aber dieses Mal geht es um eine andere Dimension des Protests.

Schon jetzt sind mehrere Anträge auf Abwahl des Präsidiums eingereicht worden. Präsident Werner Gegenbauer und seine Mitarbeiter, die von vielen für die Krise verantwortlich gemacht werden, stehen zur Disposition. Das hat es bei Hertha seit über 40 Jahren nicht mehr gegeben. Auch wenn die Satzung die Hürde der Abwahl hoch hält - 75 Prozent Zustimmung sind notwendig - gibt Wolfgang Holst, ehemals Vereinspräsident und nun Vorsitzender des Ältestenrats, zu bedenken: "Schon 50 Prozent Zustimmung würde die Spaltung unserer Gemeinschaft bedeuten." Hertha steht vor der Zerreißprobe.

Die Vereinsführung versucht, das Ausmaß der Unruhe zu verbergen. Pressesprecher Gerd Graus will nicht sagen, wie viele Gesuche auf Abwahl des Präsidiums oder einzelner Führungsleute vorliegen. Seine absurde Begründung: "Wegen der Persönlichkeitsrechte der Antragsteller." Der 88-jährige Holst behauptet: "Das kann ich genau sagen. Ursprünglich waren es acht Anträge. Nach vielen Gesprächen sind drei aufrechterhalten worden." "Das Präsidium schickt derzeit überall seine Leute herum, um die Mitglieder zu besänftigen", weiß Heinz Troschitz. Präsident Gegenbauer selbst hat mit ihm, dem Vereinsmitglied aus Spandau, gesprochen. Seinen eigenen Antrag hat Troschitz zwar zurückgenommen - aber nur, um auf Grundlage eines anderen das Präsidium zu stürzen. Troschitz ruft zur Einheit der Opposition auf und sagt: "Wenn jeder seinen Verstand einschaltet, werden 90 Prozent das Präsidium abwählen." Andernfalls sei der Abstieg in die Zweite Liga kaum noch abzuwenden.

Der Clubspitze wirft Troschitz eine verfehlte Personalpolitik vor, die ursächlich für den eingeschränkten finanziellen Handlungsspielraum (etwa 33 Millionen Euro Schulden) sei. Selbst in der sportlich erfolgreichen letzten Saison verbuchten die Berliner 1,9 Millionen Schulden. Zudem führe der Wirtschaftsboss Gegenbauer den Verein kühl und leidenschaftslos wie ein Unternehmen.

Das Problem der Opposition ist jedoch, dass sie keinen aussichtsreichen Gegenkandidaten aufbieten kann. Die einzigen Mitglieder, die sich bislang öffentlich kritisch geäußert haben, Troschitz und Michael Liesk, sind einst selbst bei Wahlen zum Aufsichtsrat und Präsidium gescheitert.

Doch die Vereinsführung weiß, dass sie die Wortführer der Unzufriedenen wie Troschitz, der vor Jahren den Spandauer Ortsverband der Schill-Partei anführte, ernst nehmen muss. Mit Appellen an den Zusammenhalt in der Krise allein ist es nicht mehr getan. Der Aufsichtsratschef Bernd Schiphorst hat diese Woche bereits angedeutet, wie die Strategie der Clubführung am Montag aussehen könnte. Er forderte, dass man sich trotz der Vereinbarung mit dem Exmanager Dieter Hoeneß, keine schmutzige Wäsche zu waschen, kritisch mit der Vergangenheit auseinandersetzen müsse. Nur so könne den Mitgliedern die Schwierigkeiten des Übergangs von Hoeneß zu Michael Preetz erklärt werden. Damit alle die "finanzielle Misere" der Hertha verstünden, müsse Preetz erklären, was er im Sommer nach der zwölfjährigen Hoeneß-Ära vorgefunden habe. Ehrenpräsident Holst fügt hinzu: "Das ist die Pflicht von Herrn Preetz. Er muss auch sagen, dass er diesen Sommer keinen Einfluss auf die Verpflichtungen von Extrainer Lucien Favre hatte."

Den Unmut des Hertha-Volks auf die abwesenden Hoeneß und Favre zu lenken, dieser Plan könnte aufgehen, auch wenn das jetzige Präsidium damals mit in der Verantwortung stand. Vielleicht ist das aber zudem der Anfang einer unumgänglichen Vergangenheitsbewältigung. Die Antworten von Dieter Hoeneß werden gewiss nicht lange auf sich warten lassen.

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