: Abtrünnig?
■ Nina Cortis Flamenco
Sie wusste schon genau, warum sie erst ganz am Ende des Konzerts, beim Vorstellen der Musiker, den Mund aufmachte. Bis dahin wirkte Nina Corti wie die perfekte Verkörperung des Flamenco: die herrischen Gesten, das schiefe, herbe Lächeln, die hohen Wangenknochen, der dunkle Teint – so stellt man sich eine Flamencotänzerin vor.
Man mag zwar gelesen haben, dass sie ja eigentlich aus Zürich kommt, aber auf der Bühne war sie eins mit ihren Tänzen – bis man ihr gemächlich, erdiges, schweizerisch eingefärbtes Deutsch hörte. Dann war der Zauber vorbei. Aber bis dahin hatte sie die bremischen Flamceno-Aficionados mit einem sehr spannend aufgebauten Programm und ihren feurig, temperamentvollen Tänzen begeistert.
Jawohl, die Klischees wurden selbstverständlich auch alle bestätigt: es gab die Ai-Ai-Ai-Ais der Sänger, die Rose im Haar, der Tanz mit dem Fächer, die über die Schultern geschwungene Mantille und die Stierkampfpantomime. Aber bei Nina Corti wirkten sie eher zitiert als ernsthaft präsentiert: Sie wurden einmal gezeigt und dann war damit auch Schluss. Die Folklore war zwangsläufig da, überwucherte aber den Tanz nicht. Stattdessen schien Nina Corti den Ehrgeiz zu haben, soviele verschiedene Facetten des spanischen Tanzes wie nur möglich zu zeigen.
So gab es zum einen den streng klassischen Ansatz mit Pianistin und Geiger (Camelia & Marius Sima), die etwa die Carmen-Suite von Georges Bizett spielten (von Corti mit viel Hüfte getanzt) oder die „Jota“ von Manuel de Falla. Das andere Extrem waren jazzige Passagen, in denen sich der Gitarrist Jse Luis Monton zum Teil ganz von den Flamencostimmungen löste oder Nina Corti den Bassisten umtanzte, der dazu ein Solo improvisierte. Solche Pas de deux mit den Instrumentalisten gab es viele, denn ein tänzerischer Partner oder Gegenpol fehlte Nina Corti völlig.
Angekündigt für den Auftritt war ein Zusammentreffen der Flamencotänzerin mit einer Gruppe von klassischen BalletttänzerInnen gewesen, aber das Konzept wurde geändert. Dafür stand nun für lange Passagen die Musik im Vordergrund. Ein Grund für die vielen instrumentalen Intermezzi waren wohl auch die Kostümwechsel von Nina Corti. In acht verschiedenen Verkleidungen sah man sie die Füße stampfen. Mal in einer überladenen, fast schon parodistisch wirkenden Tracht, meist elegant dezent und zum Schluss tanzte sie dann tatsächlich in Jeans.
Dafür ist sie berühmt, dafür gilt sie angeblich in Spanien als Abtrünnige. Im Konzert wirkte es sympatisch natürlich. Bei den Zugaben waren mit den Kleidern auch die Klischees endgültig verschwunden. Alle improvisierten ausgelassen auf der Bühne, und man bekam zumindest eine Ahnung davon, warum Paco de Lucia den Flamenco einmal den „andalusischen Blues“ genannt hat. Wilfried Hippen
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