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Abtreibung: „Kein Wahlkampfschlager“

■ In der Zwischenbilanz des Familien- und Frauenministeriums der DDR wird das Thema Schwangerschaftsabbruch ausgespart

Berlin (taz) - 100 Tage alt ist das Ministerium für Familie und Frauen in der DDR. Da wollte die Ministerin Christa Schmidt (CDU), ganz an „westlichen Demokratien“ orientiert, Zwischenbilanz ziehen. Sekt gabs zum dürren Rechenschaftsbericht. Dürr nicht nur deshalb, weil die Rette -was-zu-retten-ist-Sozialpolitik im Zeichen des Anschlusses zwangsläufig geringe Erfolge zeitigt. Dürr auch, weil die Ministerin da, wo sie wirklich erfolgreich ist, den Rückzug angetreten hat. Aus der Abtreibungsfrage will sie partout „keinen Wahlkampfschlager“ machen, sondern sie am liebsten ganz aus der Öffentlichkeit verschwinden lassen. Denn es sei erschreckend, wie „die westliche Seite“ ihre Meinung vertrete und die DDR-Position dabei ins Hintertreffen gerate. Ein Wink mit dem Zaunpfahl, wie sehr die für die Fristenlösung engagierte Ministerin von der West-CDU unter Druck gesetzt wird?

So tauchte also das Thema Abtreibung nur im Zusammenhang mit einem projektierten Beratungsgesetz auf. Im Rahmen der Familienplanung sollen Schwangerschaftsberatungsstellen eingerichtet werden. Frauen können allerdings frei entscheiden, ob sie deren Dienste in Anspruch nehmen wollen. Ob die BeraterInnen dort auf den Schutz des ungeborenen Lebens verpflichtet werden, darauf hatte Christa Schmidt keine klare Antwort. „Ich will vermeiden, was ich vermeiden kann“, wich sie aus, meinte aber gleichzeitig, daß die Beratung durchaus auf die „Beibehaltung der Schwangerschaft orientiert“ sein solle.

Zum Thema Kinderkrippen und -gärten erklärte Christa Schmidt, daß das bisherige Betreuungsgeld nach wie vor vom Staat getragen werde. An den Essensgeldsätzen allerdings müßten sich die Eltern in Zukunft ihren Einkünften angemessen beteiligen. Gefördert werden sollen auch „selbstorganisierte Betreuungseinrichtungen“, Teilzeitkrippen und Tagespflegestellen.

Frauen außerhalb der Familie kamen im Bericht gar nicht vor. Über die Gleichstellungsbeauftragte, die zwar dem Ministerrat untersteht, aus inhaltlichen Gründen aber beim Familien- und Frauen-Ministerium angesiedelt ist, gabs keine Zeile. Christa Schmidt: „Daran haben wir nicht gedacht.“

uhe

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