piwik no script img

Abstimmung über VolkswillenKomplizierte Entscheidung

Noch bis Freitag können die Menschen in Altona darüber abstimmen, wie viel Gewicht ihre Stimmen haben sollen. Zwei ähnliche Vorschläge stehen zur Auswahl.

Gegenstand eines Bürgerentscheids: die lange umstrittene Ikea-Filiale in Altona. Bild: dpa

Einen gelben Zettel ausfüllen, in den Umschlag stecken und diesen wiederum in den roten Umschlag. So steht’s in der Anleitung für den Bürgerentscheid, bei dem Einwohner des Bezirks Altona noch bis Freitag Abend abstimmen können – über mehr Gewicht für Bürgerentscheide. So weit, so klar. Bei näherer Betrachtung aber tauchen Fragen auf.

Problem Einheitsgemeinde

Wenn es um Bezirksangelegenheiten geht, liegt die letzte Entscheidung beim Senat. Seit 1937 – als unter anderem das zuvor selbständige Altona hamburgisch wurde – ist die Stadt eine Einheitsgemeinde. Bürger und Bezirksversammlung können nur Empfehlungen aussprechen. Das will das Netzwerk „Altonaer Manifest“ ändern und hat den Bürgerentscheid „Bürgerwillen verbindlich machen“ auf den Weg gebracht: Es fordert mehr Mitsprache für die Bewohner der Bezirke, indem dort durchgeführte Bürgerentscheide verbindlich werden. Wäre dieses Ansinnen erfolgreich, müssten das Bezirksverwaltungsgesetz, vor allem aber auch die Landesverfassung geändert werden.

Auf das erfolgreiche Bürgerbegehren reagierte die Bezirksversammlung mit einem Gegenentwurf: Darin spricht sie sich ebenfalls für die Ausweitung der Bürgerrechte in den Bezirken sowie der bezirklichen Entscheidungsrechte aus, etwa in Sachen Haushalt.

Zwei Vorschläge

Den "Bürgerwillen verbindlich machen" will das Netzwerk "Altonaer Manifest" durch einen Bürgerentscheid.

Das vorangehende Bürgerbegehren ist am 26. Juni 2014 zustandegekommen. Weil von den Fraktionen in der Bezirksversammlung einzig die Linke zustimmte, folgt nun ein Bürgerentscheid.

Das "Altonaer Manifest" fragt nun: "Sind Sie für verbindliche Bürgerentscheide in den Bezirken?"

Die Bezirksversammlung dagegen will in ihrer Vorlage wissen: "Sind Sie dafür (…), die Durchsetzung des Bürgerwillens zu stärken, indem die Bezirke erweiterte Haushaltsrechte erhalten, in sachgerechter Weise (…) ausgestattet werden (…), die Aufgaben der unteren Straßenverkehrsbehörde übernehmen?"

Zwei ähnliche Vorschläge

Wer nun beim Bürgerentscheid mitmacht, hat daher zwei ähnlich lautende Vorschläge vor sich – für Johannes Kohl vom „Altonaer Manifest“ eine Quelle für Verwirrung: „Wähler müssen Zeit aufbringen und sich das Informationsblatt durchlesen, um unterscheiden zu können“, sagt er. Zwölf DIN-A 4-Seiten wurden den Wahlunterlagen beigefügt, auf denen das Netzwerk und die Bezirksversammlung Stellung beziehen. „Im Nachhinein hätten wir uns ein Ja-Nein-Verfahren gewünscht, was jedoch durch den Gegenentwurf nicht mehr möglich war“, so Kohl.

Egal, welcher der beiden Vorschläge am Ende die Mehrheit der Stimmen auf sich vereint: So lange das Landesrecht ist, wie es ist, hat der Senat das letzte Wort darüber wie schwer die Stimmen der Altonaer wiegen.

Johannes Kohl vom „Altonaer Manifest“ befürchtet aufgrund der verwirrenden Abstimmungsunterlagen, dass nach Auszählung der Stimmen viele ungültig sein werden: „Wahrscheinlich haben viele die Unterlagen außerdem einfach weggeschmissen.“

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

1 Kommentar

 / 
  • That's live ..... ! Und eben auch der gravierende Nachteil sogenannter Bürgerentscheide, dass die Initiatoren sich ein JAHR oder NEIN als Entscheidungsgrundlage wünschen und häufig so zur Abstimmung stellen. Zwischentöne, Verhandlungslösungen, Optimierungen etc. sind dann eben nicht mehr möglich. Das ist es, was mir persönlich die Teilnahme daran so schwer macht und es wird nicht nur mir so gehen.